Die Situation könnte widersprüchlicher kaum sein: während weltweite Krisenherde weiter täglich die Nachrichtenlage bestimmen und der vielleicht folgenschwerste Terroranschlag in Europa erst langsam seine destruktive Wirkungskraft verliert, stellen Umfragen und Expertenmeinungen der Wirtschaft weiterhin ein gutes Zeugnis aus: Zumindest in Deutschland. So rechnen laut der jährlichen Unternehmerumfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft e.V. (BVMW) fast 49 Prozent der Unternehmer für 2015 mit einem wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland. Zum Vergleich: im Vorjahr waren es nur 42 Prozent. Die aktuelle Konjunkturprognose der NordLB 2015 geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaft von einer starken Binnennachfrage profitieren wird. Erwartet wird ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent. Und sogar das eher für seine konservativen Betrachtungen bekannte ifo-Instutut erwartet, dass die Wirtschaft 2015 deutlich an Fahrt gewinnt und im Schnitt um 1,7 Prozent wachsen wird.
Dieser grundsätzliche Optimismus darf nicht über konkrete Herausforderungen – und auch Bedrohungen – hinwegtäuschen, die aktuell und in den nächsten Monaten gegeben sind. Energiekosten, Steuerlast und Fachkräftemangel sind laut der BVMW-Umfrage die zentralen Themen, mit denen der deutsche Mittelstand auch im Jahr 2015 zu kämpfen hat. So haben 52 Prozent Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen, über ein Drittel findet gar keine geeigneten Fachkräfte. Dennoch schätzen 91 Prozent (2013: 90 Prozent) der Klein- und Mittelbetriebe ihre momentane Geschäftslage als befriedigend oder besser ein, gut 37 Prozent erwarten noch höhere Umsätze in den nächsten zwölf Monaten. Rund 49 Prozent rechnen mit einer gleichbleibend guten Geschäftslage. Nahezu jeder zweite Unternehmer plant in 2015 ebenso große Investitionen wie in diesem Jahr, gut 29 Prozent wollen mehr investieren als in den vergangenen zwölf Monaten.
Doch welchen Einfluss werden aktuelle und vielleicht zukünftige Krisenherde auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung nehmen? Ein wechselhaftes Jahr könnte insbesondere der Automobilindustrie ins Haus stehen: Nach einem höchst erfolgreichen Jahr 2014 machen vor allem die zunehmende Sättigung des chinesischen Markes und der Einbruch des Absatzes in Russland um rund 30 Prozent eine Vorhersage schwierig. Wird sich Griechenland nach seiner Wahl im Februar auf seine Verantwortung innerhalb der Europäischen Union besinnen und am vorgegebenen Sparkurs festhalten? Fast alle Experten gehen davon aus, dass der Umbau der europäischen Bankenstruktur so weit fortgeschritten ist, dass ein „GrExit“ – also der Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Währung – zu keinen größeren Verwerfungen an den Finanzmärkten mehr führen würde. Doch ist das wirklich eine politische Option?
Wird das transatlantische Handelsabkommen TTIP mit den USA, so wie von den Staats- und Regierungschefs in Europa beim letzten EU-Gipfel gefordert, bis Ende 2015 zum Abschluss gebracht werden? Sorgen machen hier nach wie vor vor allem die geplanten Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren, die nach Ansicht von Experten die Souveränität demokratischer Entscheidungsträger grundsätzlich in Frage stellen und darüber hinaus Kosten verursachen, die viele mittelständische Unternehmen schlichtweg nicht tragen können.
Selten zeigte der Beginn eines Jahres so klar, wie globalisiert und vernetzt unsere Welt inzwischen funktioniert. So wie Menschen innerhalb weniger Stunden in allen Teilen der Erde mit ihren bewegenden „Je Suis Charlie“-Bekundungen ihr Mitgefühl an der grauenhaften Tragödie in Frankreich ausgedrückt haben, so agieren sie auch im wirtschaftlichen Umfeld immer schneller und immer stärker aufeinander bezogen.
Mittelstandinbayern.de wird also auch im Jahr 2015 keinen isolierten Blick auf eine „weiß-blaue Insel“ werfen, sondern weiterhin den Anspruch haben, die weltweiten, europäischen, deutschen und speziell bayerischen Themen einzuordnen und zu einem möglichst umfassenden Gesamtbild der mittelständischen Wirtschaft zusammenzufügen.
Ihr Achim von Michel
Herausgeber
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