Alarmstufe Gas! – In Zeiten täglich schlechter Nachrichten hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am 23. Juni die nächste große Hiobsbotschaft verkündet. Seit der vom Kreml kontrollierte Konzern Gazprom Mitte Juni die Lieferungen nach Deutschland um 60 Prozent reduziert hat, ist Gas zum knappen Gut geworden. Noch ist die Versorgungssicherheit gewährleistet und der Markt kann die Importausfälle abfangen. Doch die Aussichten für Industrie, Gewerbe und Handel sowie private Haushalte sind alles andere als rosig. Nun drohen neue Preisexplosionen, die die Wirtschaft und Bevölkerung vor eine lange Zeit voller Entbehrungen stellen werden. Für die kommenden Monate lässt all das nichts Gutes erahnen.
Schwere Zeiten für den Mittelstand
Momentan sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Mittelstand außerordentlich schlecht. Unternehmen sind konfrontiert mit einer unangenehmen Mischung aus gestörten Lieferketten, einer immer mehr steigenden Inflation, die im schlimmsten Fall zu einer Stagflation führen könnte, einer noch nicht überwundenen Pandemie und nun eben einer akuten Energiekrise, für die es auf absehbare Zeit keine Lösung gibt.
Die mittelständische Wirtschaft leidet dabei doppelt unter dem Gasmangel. Für die eigene Produktion ist der Mittelstand elementar auf eine umfassende und vor allem aber bezahlbare Energieversorgung angewiesen. Preissteigerungen bei Strom und Gas um den Faktor zehn, wie manche Ökonomen schätzen, lassen sich schlicht nicht auffangen. Für viele kleine und mittlere Unternehmen wird die Energiekrise so zu einer existenzbedrohenden Belastung. Vor allem energieintensiven Unternehmen droht das Aus. Gleichzeitig sind viele Mittelständler Zulieferer von großen Konzernen. Schränken diese ihre Produktion ein, brechen kleinen und mittleren Unternehmen die Auftraggeber weg.
Und die Alarmstufe ist dabei erst der Anfang. Sollte die Politik auch die dritte Stufe des Notfallplans Gas verkünden müssen, muss der Staat über die Verteilung der knappen Ressource entscheiden. Bislang fließt knapp die Hälfte des importierten Gases in Industrie, Gewerbe, Handel und den Dienstleistungssektor. Über 37 Prozent gehen an private Haushalte, die damit ihre Wohnungen heizen und über Fernwärme Warmwasser beziehen. Dass der Staat im Fall der Fälle im kommenden Herbst und Winter nicht zuerst den Privathaushalten den Gashahn zudrehen wird, ist gesetzlich festgelegt und moralisch nachvollziehbar.
Energiegipfel im Kanzleramt nötig
Sollte die Bundesregierung auch die dritte Eskalationsstufe des Notfallplans ausrufen müssen – und darauf läuft es aller Voraussicht nach hinaus – muss die Bundesnetzagentur darüber entscheiden, wie das knappe Gas verteilt werden soll. In solch einer Mangellage drohen Verteilungskämpfe, die es unbedingt zu vermeiden gilt. Die Bundesregierung muss deshalb dringend einen Mechanismus entwickeln, wie das Gas dann an die Wirtschaft verteilt wird.
Dafür sollte Bundeskanzler Olaf Scholz nach seinem Marathon mit den G7-, NATO- und EU-Gipfeln ein weiteres Spitzentreffen einberufen: einen Energiegipfel im Kanzleramt. Politik und Wirtschaft sollten sich so bald wie möglich an einen Tisch setzen, um zu klären, wie eine faire Verteilung der knappen Ressource aussehen kann. Für den Mittelstand ist dabei von elementarer Bedeutung, dass verbindlich geregelt wird, dass auch kleine und mittlere Unternehmen ihren Anteil an den zur Verfügung stehenden Gasmengen erhalten. Schließlich ist der Mittelstand der Motor der deutschen Wirtschaft.
Mittelstand darf nicht benachteiligt werden
Allein in Bayern gibt es mehr als 600.000 mittelständische Betriebe. Diese erwirtschaften einen Großteil des Wohlstands im Freistaat und stellen mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze bereit. Wenn die Politik vermeiden will, den Wohlstand in Deutschland innerhalb kürzester Zeit massiv zu gefährden, dann darf der Mittelstand bei der Verteilung von Gas unter keinen Umständen benachteiligt werden. Genau deshalb sind Verteilungsmechanismen wie Auktionen eine denkbar schlechte Lösung. Denn Auktionen begünstigen zahlungskräftige Unternehmen, in erster Linie also die großen Konzerne aus der Industrie. Ein Wettbieten um Energie ist für den Mittelstand schlichtweg keine realistische Option.
Auch wenn es den großen Industrie-Konzernen wahrscheinlich schwerfallen wird, ist in diesen turbulenten Zeiten Solidarität gefragt. Alle Unternehmen leiden unter den derzeit schwierigen Rahmenbedingungen. Wohlstand und Wirtschaftskraft in Deutschland sind so bedroht wie lange nicht. Wirtschaft, Politik und Bevölkerung müssen nun zusammenhalten und alles dafür tun, die aktuelle Energiekrise mit einer nationalen Kraftanstrengung zu überwinden. Wenn wir alle unseren Beitrag leisten, werden wir auch diese Krise überstehen.
Ihr
Achim von Michel
Herausgeber mittelstandinbayern.de