Fast 250.000 Menschen (Stand: 24.03.2022) sind bereits aus der Ukraine nach Deutschland geflohen, um dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg von Russlands Präsident Wladimir Putin zu entkommen. Noch immer ist nicht absehbar, wann und unter welchen Bedingungen der Krieg ein Ende finden wird. Für Ukrainerinnen und Ukrainer bedeutet dies vor allem eine große Ungewissheit, wann sie wieder in ihre Heimat zurückkehren können.
Bereits jetzt sollten sich Geflüchtete daher damit beschäftigen, ob und welcher Arbeit sie bis dahin in Deutschland nachgehen möchten und welche rechtlichen Bestimmungen dabei gelten. Auch Unternehmen, die Flüchtlinge einstellen wollen, sollten sich mit den arbeitsrechtlichen Voraussetzungen vertraut machen. Im Folgenden haben wir daher Informationen zusammengestellt, die sich sowohl an Arbeitgeber als auch an potenzielle Arbeitnehmer aus der Ukraine richten.
Arbeit von Geflüchteten ist prinzipiell möglich
Nachdem am 3. März die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie der Europäischen Union aktiviert wurde, müssen ukrainische Bürgerinnen und Bürger kein aufwändiges Asylverfahren mehr durchlaufen, um in der EU schutzberechtigt zu sein. Dadurch wurde sowohl die Aufnahme von Geflüchteten als auch die Integration in den Arbeitsmarkt deutlich vereinfacht.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dürfen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland arbeiten, sobald sie nachweisen können, dass sie bei den Behörden registriert sind. Bereits die vorläufige Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht („Fiktionsbescheinigung“), die von der zuständigen Ausländerbehörde ausgestellt wird, enthält eine Arbeitserlaubnis. Später wird die Fiktionsbescheinigung in eine offizielle Aufenthaltsgenehmigung umgewandelt, in der ein entsprechender Eintrag vermerkt ist. Wichtigste Grundvoraussetzung dafür ist eine gültige Meldeadresse. Geflüchtete müssen bei der Antragsstellung einen dauerhaften Aufenthaltsort angeben. Ohne einen solchen dürfen Arbeitgeber sie auch nicht einstellen.
Darüber hinaus steht es ukrainischen Flüchtlingen auch frei, ein Unternehmen in Deutschland zu gründen oder eine freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen. Dabei sind allerdings die berufs- und branchenspezifischen Regelungen zu beachten. Auch Minijobs sind erlaubt. Die Ausübung eines solchen muss der Minijob-Zentrale gemeldet werden. Ein Sonderfall sind dabei allerdings Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Für diese müssen Arbeitgeber keinen Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung zahlen, da Flüchtlinge in Deutschland nicht automatisch gesetzlich krankenversichert sind – wie die Minijob-Zentrale erklärt.
Anerkennung von Berufsqualifikationen
Zwar dürfen Geflüchtete prinzipiell in Deutschland arbeiten. In bestimmten Berufen gibt es jedoch berufsrechtliche Zugangsbeschränkungen. Dazu zählen beispielsweise Tätigkeiten als Arzt, Lehrer oder Erzieher. Um diese Berufe ausüben zu dürfen, ist eine Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen zwingend erforderlich. Aber auch in nicht zugangsbeschränkten Tätigkeitsfeldern empfiehlt es sich, ausländische Hochschulabschlüsse oder Berufsausbildungen beglaubigen zu lassen. Damit erhöhen sich die Chancen, einen der Qualifikation angemessenen Arbeitsplatz zu finden.
Informationen darüber, wie die Berufsanerkennung in Deutschland abläuft, gibt es beim Online-Portal www.anerkennung-in-deutschland.de der Bundesregierung, auf dem auch in russischer Sprache publiziert wird. Außerdem besteht im Rahmen des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung“ die Möglichkeit einer umfassenden Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung.
Auch für Geflüchtete gelten soziale Standards
Für ukrainische Flüchtlinge gelten – wie für alle Arbeitnehmer – die Vorschriften des deutschen Arbeitsrechts sowie die sozialen Sicherungsstandards. So müssen etwa die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden. Demnach darf die werktägliche Arbeitszeit nicht mehr als acht Stunden betragen. Eine Verlängerung auf bis zu zehn Stunden ist nur dann möglich, wenn im Halbjahres-Durchschnitt die Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag nicht überschritten wird.
Unternehmen dürfen Geflüchtete gegenüber deutschen Arbeitnehmern nicht benachteiligen. Dies gilt beispielsweise für den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,82€, der auch Flüchtlingen zusteht. Ebenso besteht mit Ausnahme der ersten vier Wochen nach Tätigkeitsbeginn ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und daran anschließend auf Krankengeld. Zudem fallen für ukrainische Staatsbürger die üblichen Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung an – sofern es sich um ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis handelt. Wie alle anderen Arbeitnehmer sind auch Geflüchtete Teil der gesetzlichen Unfallversicherung. Außerdem können sie sich jederzeit an Betriebsräte und -ärzte, Gewerkschaften sowie sonstige Institutionen wenden.
Tipps für Arbeitgeber
Bevor Arbeitgeber Nicht-EU-Bürger einstellen, müssen sie vorher den sogenannten Aufenthaltstitel – also alle Dokumente, die Angehörigen von Staaten ohne europarechtliche Freizügigkeit zum Aufenthalt in der EU ausgestellt werden – prüfen. Dies ist nicht nur erlaubt, sondern sogar zwingend nötig. Der Datenschutz steht dabei nicht im Wege. Anschließend sind Steuer und Krankenversicherung zu klären. Da Ukrainerinnen und Ukrainer in der Regel noch keine deutsche Sozialversicherungsnummer haben, muss diese zusammen mit der Anmeldung bei der Rentenversicherung beantragt werden. Nach Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit besteht die Möglichkeit, eine reguläre Versicherung in der gesetzlichen Krankenkasse abzuschließen.
Arbeitsverträge sollten möglichst in mehreren Sprachen ausgestellt werden. Neben der deutschen Version sollte auch eine englische oder sogar ukrainische Übersetzung unterzeichnet werden. So sind Arbeitgeber rechtlich auf der sicheren Seite, falls Arbeitnehmer behaupten, sie hätten den Vertrag aufgrund der Sprachbarriere vor Unterschrift nicht ausreichend verstanden.
Ressourcen und hilfreiche Links
Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Informationen zur Integration von ukrainischen Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt:
Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie: Ukraine – StMWi Bayern
Bundesagentur für Arbeit: Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine – Bundesagentur für Arbeit (arbeitsagentur.de)
Bundesministerium des Innern und für Heimat: BMI – Homepage – Fragen und Antworten zur Einreise aus der Ukraine (bund.de)
Bundesministerium für Arbeit und Soziales: BMAS – Fragen und Antworten für Geflüchtete aus der Ukraine
Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“: Förderprogramm IQ – Startseite – netzwerk-iq
IHK München und Oberbayern: Der Russland-Ukraine-Krieg (ihk-muenchen.de)
Minijob-Zentrale: Minijob-Zentrale – Startseite – Ukraine-Geflüchtete können einen Minijob ausüben
Online-Portal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen: Anerkennungsportal (anerkennung-in-deutschland.de)
Online-Portal mit Informationen zum Arbeitsrecht in Deutschland: Faire Integration (faire-integration.de)