Nächste Woche eröffnen Verkehrsminister Volker Wissing und der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder die 33. Weltleitmesse für Baumaschinen, Baustoffmaschinen, Bergbaumaschinen, Baufahrzeuge und Baugeräte, die bauma in München. Sie gilt als die größte Baumesse der Welt, die auch in diesem Jahr wieder rund 3500 Austeller mit innovativen Maschinen und Ideen aus allen Teilen der Welt anziehen wird. Doch ein Blick auf die Realität zeigt: die Baubranche hat momentan eine Vielzahl akuter Baustellen.
Kein Geld, kein Material, keine Fachkräfte
Die Zinsen für Immobiliendarlehen sind auf ein neues Jahreshoch geklettert und überschritten Ende September sogar die 3,5 Prozent, so die Statistik der Interhyp AG, einem der größten Vermittler privater Baufinanzierungen in Deutschland. Aufgrund der immer weiter steigenden Kosten werden viele Bauvorhaben storniert, wie auch Zahlen des ifo-Instituts zeigen. 16,7 Prozent der Unternehmen waren demnach im September dieses Jahres von Rückzügen im Wohnungsbau betroffen. Insgesamt ist ein deutlicher Rückgang der Bauvorhaben aufgrund der steigenden Preise in der Bauindustrie zu erwarten. Außerdem leidet die deutsche Industrie noch immer massiv unter Lieferengpässen, es fehlen also nach wie vor wichtige Baumaterialien wie Holz, Stahl, Dämmstoffe oder Bitumen. Laut Studien des ifo-Instituts gaben über 73 Prozent der deutschen Industriefirmen im Sommer 2022 an, unter Produktionshindernissen durch Engpässe bei Vorlieferungen zu leiden. Joachim Ragnitz vom ifo-Institut Dresden berichtet: „Wesentliche Ursachen für diese Lieferkettenprobleme sind die Folgen der Corona-Pandemie sowie aktuell der Krieg in der Ukraine. Zum Teil spiegeln sich hierin aber auch strukturelle Veränderungen der globalen Nachfrage, die sich auch als dauerhaft entpuppen könnten.“ Mit dem Mangel an Materialien gehen außerdem deutliche Preissteigerungen einher, welche zusätzlich durch die aktuelle Inflation verstärkt werden. Die Inflationsrate lag laut Zahlen des statistischen Bundesamtes im September 2022 bei zehn Prozent, für die Eurozone wurde soeben von Eurostat die Rekordrate von 9,9 Prozent vermeldet. Eine weitere Verteuerung von Materialien ist also zu erwarten, was die Bauindustrie wiederum zusätzlich belastet. Eine weitere Herausforderung der Baubranche stellt der Fachkräftemangel dar. So warnt beispielsweise die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt deutlich vor den Folgen des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften im Bau. Sie verweist dabei auf aktuelle Zahlen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Danach verzeichnete die Bauwirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres bundesweit 191 000 offene Stellen und damit fast vier Mal so viele wie noch im Jahr 2010.
Neue Ideen zu einer kritischen Zeit
Die Baukosten steigen, es gibt nicht genügend Baumaterial und dieses nur zu hohen Preisen, und die Fachkräfte in der Baubranche fehlen. Trotz der vielen neuen Maschinen, die auf der bauma vorgestellt werden, wird die Bauindustrie sich also zunächst mit anderen Problemen auseinandersetzen müssen. Fraglich ist vor diesem Hintergrund, ob ehrgeizig ausgegebene Ziele wie der geplante Neubau von 400.000 Wohnungen durch Bundesbauministerin Geywitz überhaupt noch realistisch sind. Zumindest im Hinblick auf den Materialmangel bietet Joachim Ragnitz eine Lösungsmöglichkeit an: „Um negative Folgen für den Industriestandort Deutschland zu vermeiden, müssten die Unternehmen neue Lieferanten finden oder versuchen, Ersatz für besonders knappe Vorleistungsgüter zu besorgen.“