In seiner Entscheidung vom Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht nur Teile des Erbschaftsteuergesetzes für verfassungswidrig erklärt. Dem Gesetzgeber wurde jedoch ein umfangreicher Spielraum zur Nachbesserung der Regelung gegeben, die zunächst bis Juni 2016 in Kraft bleibt. Kernproblem der bisherigen Regelungen ist das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Gleichbehandlung. Doch auch wenn die steuerliche Begünstigung von Firmenerben gegenüber Erben von Privatvermögen in der bestehenden Form unzulässig ist, bestätigt das Gericht auch weiterhin die Koppelung an den Erhalt von Arbeitsplätzen. Steuervorteile sind derzeit vor allem dann möglich, wenn Unternehmen über einen langen Zeitraum hinweg die Löhne konstant halten. Nach Ansicht des Gerichts liegt es im Ermessen des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen.
In einem Sondervotum hatten außerdem drei der acht Verfassungsrichter erklärt, dass sich eine Reform der Erbschaftsteuer-Regelung auch mit dem Sozialstaatsprinzip begründen lasse. So führe die geltende Regelung zu einer weiteren Konzentration des Geldvermögens auf vergleichsweise wenige Bürger: hätten vor 20 Jahren noch 18 Prozent der privaten Haushalte in Deutschland über 60 Prozent des Nettogeldvermögens in Deutschland verfüg, seien es heute nur noch zehn Prozent.
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft schlägt als Konsequenz aus der Entscheidung die Einberufung eines Runden Tisches der Bundesregierung zur Erbschaftsteuer vor. Der Mittelstand brauche verlässliche Rahmenbedingungen zur Sicherung der Unternehmensnachfolge und damit von hundert Tausenden Arbeitsplätzen. Es sei zu begrüßen, dass Karlsruhe das besondere steuerliche Schutzbedürfnis kleiner und mittelgroßer Unternehmen prinzipiell anerkennt. Andererseits gefährde die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Änderung der Lohnsummenregelung den Fortbestand von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten, warnte der Mittelstandspräsident. Dazu zählen über 90 Prozent der etwa 3,6 Millionen Unternehmen in Deutschland. Zudem drohe ein erheblicher zusätzlicher bürokratischer Aufwand durch die Neuregelung. „Die beste und mittelstandsfreundlichste Antwort auf das heutige Urteil ist die vollständige Abschaffung der Erbschaftsteuer“, betonte BVMW-Präsident Mario Ohoven. Um einen möglichst breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens darüber zu erzielen, bedürfe es eines Runden Tisches. Deutschland solle sich ein Beispiel an vielen seiner europäischen Nachbarländer nehmen, so Ohoven.
Österreich oder Schweden haben die Erbschaftsteuer komplett abgeschafft. Polen, die Niederlande oder Dänemark haben sie entschärft. Das Aufkommen der Erbschaftsteuer hierzulande beträgt rund 4,7 Milliarden Euro im Jahr. Davon entfallen auf die neuen Bundesländer insgesamt nur knapp 79 Millionen Euro.
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