Rund 3000 hochrangige Vertreter aus Wirtschaft und Politik, darunter auch 80 Bundestagsabgeordnete und 70 Botschafter, trafen sich am Montag zum Jahresempfang des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) 2016 in Berlin. Neben BVMW-Präsident Mario Ohoven hielten auch zahlreiche Politiker, darunter der Bundesvorsitzende der Grünen Cem Özdemir und EU-Digitalkommissar Günther Oettinger, eine Rede. Ohoven forderte von der Bundesregierung eine investitionsfreundlichere Politik: „Deutschland braucht eine neue Fairness! Der unternehmerische Mittelstand sichert Millionen Arbeitsplätze und trägt die Hauptlast der Ausbildung. Dafür erwarten wir von der Bundesregierung eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast, weniger Regulierung und mehr unternehmerische Freiheit. Deutschland schiebt einen Investitionsstau von 100 Milliarden Euro vor sich her.“ Deshalb forderte der Mittelstandspräsident für innovative Startups auch eine steuerliche Forschungsförderung wie in 27 der 34 OECD-Länder und die Abschaffung der Erbschaftsteuer.
Integration von Flüchtlingen in den Mittelstand
Ein großes Thema des BVMW-Jahresempfang war selbstverständlich auch die Flüchtlingskrise und wie die tausenden Menschen in die Wirtschaft integriert werden können. Es ist schließlich eine Tatsache, dass im Mittelstand ein Fachkräftemangel herrscht. Doch viele Unternehmer äußerten sich zurückhaltend, ob die Flüchtlinge die Lösung dafür seien. Vor allem die Sprachschwierigkeiten sehen sie als Hindernis. Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, unterstrich die gemeinsame europäische Verantwortung in der Flüchtlingsfrage. Er erwarte von allen EU-Mitgliedsländern, dass sie sich an ihre Verpflichtungen hielten. Özdemir sprach sich für einen Marshallplan für Nordafrika aus. Zugleich warnte der Grünen-Chef, das Thema Flüchtlinge eigne sich nicht für „parteipolitisches Kleinklein“. Auch der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, ging in seiner Rede auf die Flüchtlinge ein. Müller sagte, wenn nur jedes 100. der 3,6 Millionen Unternehmen mit seinem Ministerium zusammenarbeiten würde, könnten 40.000 Projekte auf den Weg gebracht werden. Dem diene auch die neue Agentur für Wirtschaft und Entwicklung.
„Wir brauchen ein digitales Europa ohne Grenzen“
Der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger, machte in seiner Rede auf die Folgen der Digitalisierung für Deutschland und Europa aufmerksam. Über 90 Prozent der Arbeitsplätze würden in fünf bis acht Jahren nicht mehr so sein wie heute. „Wir brauchen ein digitales Europa ohne Grenzen.“ Dazu gehöre auch eine digitale Grundkompetenz in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Diese Kompetenz hat Estland als Vorreiter der Digitalisierung in Europa längst erreicht. Estlands Prime Minister, Taavi Roivas, warb für sein Heimatland zudem mit einem einfachen Steuersystem und einem Minimum an Bürokratie in allen Lebensbereichen dank umfassender Digitalisierung.