Im Bereich gewerblicher Schutzrechte existieren bereits zwei Schutzrechtsarten, die einen einheitlich in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) geltenden Schutz gewähren: Seit dem Jahr 1995 die Gemeinschaftsmarke und seit dem Jahr 2003 das Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Lediglich auf dem Gebiet des Patentrechts gibt es bislang noch keinen einheitlich geltenden Schutz. Dabei gehen die Bemühungen ein derartiges Schutzrecht einzuführen bis in die 1970er Jahre zurück. Nun scheint dieses langwierige Vorhaben endlich Wirklichkeit zu werden.
In München residiert nicht nur das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA). Vielmehr bietet die süddeutsche Metropole auch dem Europäischen Patentamt (EPA) seinen Sitz an den Ufern der Isar. Die bayerische Landeshauptstadt wird damit zum Mittelpunkt des gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland. Da es damit bereits ein EPA gibt, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Titels dieses Beitrages. Wir haben doch ein Europäisches Patentamt, also haben wir doch auch einen Europäischen Patentschutz? Das ist so nicht ganz zutreffend.
Das EPA ist eine zwischenstaatliche Einrichtung der Europäischen Patentorganisation. Diese hat derzeit 38 Mitgliedern. Schon allein diese Zahl zeigt, dass die Grundlage, auf der heute das EPA betrieben wird, nicht identisch mit den 27 Mitgliedsländern der EU sein kann. Vielmehr sind im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) elf weitere Länder vertreten, die nicht der EU angehören. Beispielsweise gehören die Türkei und die Schweiz diesem Kreis an. Länder, die ganz eindeutig nicht zur EU gehören.
Daneben ist das EPA lediglich für die Prüfung von PatentANMELDUNGEN nach dem EPÜ und deren Erteilung zuständig. Überraschender Weise steht am Ende dieses einheitlichen Anmeldeprozesses einer „Europäischen Patentanmeldung“ jedoch nicht ein Europäisches Patent. Vielmehr zerfällt die „Europäische Patentanmeldung“ bei deren Erteilung in „nationale Phasen“.
Damit eine Europäische Patentanmeldung nach Erteilung in einem Land wirksam werden kann, hat der Erfinder eine „Validierung“ vorzunehmen. Dieses Prozedere ist regelmäßig mit hohen Übersetzungs- und Verwaltungskosten verbunden. Für einen Patentschutz in den 27 Mitgliedsländern der EU erreichen diese Kosten schnell einen Betrag von etwa 32.000,00 €. Dabei entfallen allein ca. 23.000,00 € auf Übersetzungskosten. Eine Übersetzung der Patentschrift muss vorgenommen werden, weil Patente ihren Inhabern Ausschließlichkeitsrechte gewähren: Nur der Patentinhaber darf beispielsweise den patentgeschützten Gegenstand herstellen. Dritten kann dies untersagt werden. Nach bisheriger Ansicht konnte jedoch von Niemanden die Unterlassung eines Tuns verlangt werden, wenn dieser das Verbot nicht in seiner eigenen Sprache lesen und verstehen kann.
Die vorgenannten Beträge für eine Validierung machen es ganz deutlich: Die Übersetzungskosten machen das Vorhaben der Erlangung eines Patentschutzes in der gesamten EU teuer. Ein derartiges Vorhaben für alle 27 Mitgliedstaaten der EU kann heutzutage, einschließlich der Verfahrenskosten, mit etwa 36.000,00 € zu Buche schlagen. Im Vergleich dazu kostet ein US-Patent durchschnittlich umgerechnet 1.850,00 €.
Vor diesem Hintergrund hielten die Bemühungen um einen einheitlich in allen Mitgliedsländern der EU geltenden Patentschutz bereits seit langer Zeit an. Schon im Jahre 1975 wurde ein Übereinkommen über das Europäische Patent unterzeichnet. Dieses trat jedoch ebenso wenig in Kraft wie ein ähnliches Übereinkommen aus dem Jahr 1989. Im Jahr 2010 wurde schließlich einer neuer Versuch initiiert, der nun trotz zahlreicher Streitereien erfolgsversprechender zu sein scheint.
Im Dezember 2011 haben sich 25 der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für die Einführung eines Europaweiten Patentschutzes ausgesprochen. Dies soll durch bürokratische Vereinfachung und sinkenden Kosten die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Europäischen Industrie stärken. Lediglich Spanien und Italien verweigerten ihre Zustimmung, da sie sich sprachlich benachteiligt sahen.
Offizielle Verlautbarungen zu diesem Thema sind durchaus positiv: „Zweck des einheitlichen Patentschutzes ist es, für Unternehmen und Erfinder überall in Europa Innovationen zu erleichtern und die Kosten hierfür zu senken“, erläuterte Binnenmarkt- und Dienstleistungskommissar Michel Barnier. „Kosten und Verwaltungsaufwand werden deutlich reduziert und die Innovation in Europa bekommt einen Schub. Der Patentschutz wird allen Unternehmen in der EU zur Verfügung stehen, unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben. Ich hoffe nach wie vor, dass sich mit der Zeit alle Mitgliedstaaten für eine Beteiligung an dieser Verstärkten Zusammenarbeit entscheiden werden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ohne Innovationen gibt. Und keine Innovation ohne einen wirksamen Schutz des geistigen Eigentums.“
Das „Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung“ soll ebenfalls vom EPA erteilt und verwaltet werden. Auf Antrag soll es dann direkt Wirkung in den beteiligten Mitgliedsstaaten entfalten. Verfahrenssprachen für das Gemeinschaftspatent sollen nach Wahl des Anmelders Deutsch, Englisch oder Französisch sein.
Mit den nunmehr vorliegenden Vorschlägen würden die für Übersetzungen anfallenden und damit im Zusammenhang stehenden Kosten für den Patentschutz drastisch sinken. Die Übersetzungskosten für ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung in 25 Mitgliedstaaten beliefen sich dann langfristig auf lediglich 680,00 €.
Über den Autor:
Markus Bahmann wurde 1963 in Hanau am Main geboren und studierte Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (1. Staatsexamen 1988, 2. Staatsexamen 1991). Nach dem zweiten Staatsexamen wurde er mit einer betriebswirtschaftlichen Arbeit zum Thema „Markenstrategien für den gemeinsamen Markt“ zum Dr. rer. pol. promoviert.
Markus Bahmann ist seit 1991 als Rechtsanwalt zugelassen und arbeitet seitdem ausschließlich im Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. Nach langjähriger Tätigkeit als Anwalt, Partner, Aufsichtsrat und Beirat unterschiedlicher Gesellschaften trat er 2010 der Maiwald Patentanwalts GmbH bei.
Markus Bahmann spricht Deutsch, Englisch und Französisch.
Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist der gewerbliche Rechtsschutz in allen Facetten, insbesondere des Marken-, Patent-/Gebrauchsmuster- und Geschmacksmusterrechts in Anmelde- und Verletzungsverfahren. Eine besondere Spezialisierung ist seine Kompetenz in rechtlichen Fragen des Internets inklusive Domainstreitigkeiten. Auf diesem Gebiet berät er Initiativen bei der Erlangung neuer Topleveldomains.
Er ist Mitglied der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz (GRUR) und der International Trademark Association (INTA), wo er Mitglied des Internet Committees ist. Daneben besitzt er einen Sitz im IPC (Intellectual Property Constituency) der ICANN (Internet Corporation for Assigned Numbers and Names).