Die EU hat innerhalb weniger Tage zwei große neue Handelsverträge auf den Weg gebracht: Nach dem Freihandelsabkommen mit dem Staatenbund Mercosur schloss die EU auch vor kurzem das sogenannte EVTFA-Abkommen mit Vietnam ab. Beide Handelsabkommen bedürfen allerdings noch der Ratifizierung durch die jeweiligen Parlamente. Schon jetzt wird hoffnungsvoll mit einem Wachstum der EU-Exporte in diese Regionen gerechnet, jedoch werden auch kritische Stimmen laut. Die Dimensionen wären riesig: Die Vereinbarung der EU mit Mercosur, also den Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, würde das kürzlich geschlossene JEFTA Abkommen zwischen der EU und Japan als weltgrößte Freihandelszone ablösen.
Zölle sollen abgebaut werden
Dadurch verspricht sich die EU einen besseren Zugang zu den Märkten der südamerikanischen Länder. So sollen europäische Unternehmen neue Wachstumsmöglichkeiten bekommen. Bislang müssen Importeure von EU-Waren zum Teil sehr hohe Zölle zahlen. Auf Autos sind es beispielsweise 35 Prozent, auf Maschinen 14 bis 20 Prozent und auf Wein 27 Prozent. Diese Zölle sollen nun schrittweise abgebaut werden. Die Vereinbarung mit Vietnam sieht ebenfalls den Abbau von 99 Prozent der Zölle innerhalb der kommenden Jahre vor. Die hohen vietnamesischen Importzölle auf Autos fallen dann um 78 Prozent und jene auf Wein um 50 Prozent.
Standards werden eingehalten – oder nicht?
Einigungen gibt es mit Vietnam auch beim Umgang mit geistigem Eigentum sowie bei wesentlichen Standards der Internationalen Arbeitsorganisation, etwa dem Verbot von Kinderarbeit. Ebenfalls enthalten ist eine Zusage zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens. Ähnlich sieht es beim Abkommen mit den Mercosur-Staaten aus: Die EU-Kommission beteuert, das Abkommen sichere bei Nahrungsmittelsicherheit und Verbraucherschutz die hohen EU-Standards und nehme Rücksicht auf den Klimaschutz.
Verbraucherschützer warnen jedoch, dass Produkte nach Europa kommen könnten, die nicht den hohen EU-Standards entsprechen. Zudem gehen die Landwirte in den südamerikanischen Ländern sehr großzügig mit Pflanzenschutzmitteln und Gentechnik um, was viele Verbraucher in Europa kritisch sehen.
Hoffnungen auf Seiten der Handelspartner
Die Mercosur-Länder erhoffen sich von dem Handelsabkommen neue Absatzmärkte für ihre Produkte. Brasilien und Argentinien möchten vor allem Agrarprodukte wie Fleisch und Soja an die EU-Staaten verkaufen. Vietnam erhofft sich vom Freihandel mit der EU hingegen weiteren wirtschaftlichen Auftrieb: Das Land ist eine schon jetzt rasant wachsende Volkswirtschaft. 2018 stieg das Bruttoinlandsprodukt um über sieben Prozent. Nach Singapur ist das Land für die EU der zweitgrößte Handelspartner in Südostasien.
Märkte für deutsche Unternehmen öffnen sich
In den vier Mercosur-Ländern leben mehr als 260 Millionen Menschen. Bereits 2017 exportierten EU-Unternehmen nach Angaben der deutschen Außenwirtschaftsgesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI) Waren im Wert von rund 45 Milliarden Euro in den Mercosur, vor allem Maschinen, Autos und Autoteile sowie chemische Produkte. Vor allem in diesen Branchen könnten mittelständische Hersteller aus Deutschland weitere Zuwächse erwarten. Insgesamt sollen nach EU-Angaben 60.500 europäische Unternehmen von dem Deal profitieren.
Europäische Landwirte fürchten jedoch, dem Wettbewerb mit den Agrargroßmächten aus Südamerika nicht gewachsen zu sein. Im Gegensatz zu anderen Branchen gilt der Agrarsektor in der Region als ausgesprochen wettbewerbsfähig.
Beim deutsch-vietnamesischen Handelsvolumen – derzeit bei knapp 13 Milliarden Euro – wird mit einem deutlichen Anstieg auf rund 20 Milliarden Euro in den nächsten Jahren gerechnet, heißt es in einer Mitteilung des Deutschen Industrie und Handelskammertags (DIHK). Die EU-Kommission spricht davon, dass EU-Exporte nach Vietnam um 29 Prozent steigen könnten und die aus Vietnam nach Europa um 18 Prozent. Auch hier kann der exportorientierte deutsche Mittelstand also Zuwächse erwarten.
Kritik beim Thema Menschenrechte und Umwelt
Kritik an den Handelsabkommen kommt außer von Verbraucherschützern aber auch von Menschenrechtsaktivisten aus Vietnam. Außerdem befürchten Umweltverbände, dass neue Absatzmärkte für Fleisch- und Sojaexporte in den Mercosur-Ländern dazu führen, dass die Weide- und Anbauflächen erweitert werden und dafür der Amazonas-Regenwald weiter abgeholzt wird. Es bleibt also abzuwarten, ob die Abkommen in ihrer jetzigen Fassung umgesetzt werden – oder ein Scheitern ähnlich wie bei TTIP bevorsteht.