Trotz der wachsenden Bedeutung von Bildung für Beschäftigung und Einkommen ist der Anteil bildungsarmer Menschen in der Europäischen Union immer noch zu hoch. 8 Prozent der Jugendlichen verlassen die Schule ohne Abschluss. 19 Prozent der 15-Jährigen gelten im EU-Durchschnitt als funktionale Analphabeten. Zu diesem Schluss kommen Jutta Allmendinger und Ellen von den Driesch vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in ihrer breit angelegten Studie über soziale Ungleichheit in Europa. Der Bericht zeigt das Ausmaß sozialer Ungleichheit innerhalb und zwischen den 28 EU-Ländern bei Bildung, Beschäftigung und Einkommen.
Gute Bildung zahlt sich in allen EU-Staaten aus. Je besser eine Person (aus)gebildet ist, umso mehr verdient sie. Diese sogenannte Bildungsrendite unterscheidet sich vor allem zwischen Menschen mit sehr hoher und mittlerer Qualifikation. Im EU-Durchschnitt verdienen Hochschul-Absolventen 44 Prozent mehr als Menschen mit einem Berufsabschluss. In Deutschland beträgt dieser Einkommensunterschied 65 Prozent, in Schweden dagegen nur 11 Prozent.
Wie sehr sich Bildung finanziell lohnt, hängt vor allem am institutionellen Kontext und weniger am Anteil der Hochschulabsolventen. Oft wird angenommen, zu viele Uni-Absolventen würden die Bildungsrendite schmälern. „Es gibt keinen Grund zu befürchten, dass sich ein Hochschulabschluss nicht lohnt, wenn viele Menschen sehr gut ausgebildet sind“, schreiben die Autorinnen.
Der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft hat in den meisten EU-Ländern zu einer Polarisierung des Einkommens durch Bildung geführt. In Deutschland ist die Einkommensschere zwischen 2006 und 2010 größer geworden: Gering Qualifizierte haben Einkommen verloren, hoch Qualifizierte dagegen gewonnen.
Neben den formalen Abschlüssen haben auch die kognitiven Kompetenzen Einfluss auf das Einkommen. Dieser Zusammenhang ist in den EU-Ländern jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt. In Großbritannien und Polen verdienen Menschen mit sehr hohen Kompetenzen 65 Prozent mehr als jene mit mittleren Werten. In Schweden, Dänemark, Belgien und Finnland beträgt dieser Unterschied nur 20 Prozent.
Der Bericht zeigt ebenfalls, dass ein hoher Bildungsabschluss nicht zwingend mit hohen Kompetenzwerten übereinstimmt. In allen Ländern ist der Anteil der 25- bis 34-Jährigen mit einem Universitätsabschluss deutlich höher als der Anteil der Personen mit sehr hohen Kompetenzen. Das extremste Beispiel ist Zypern. Hier hat über die Hälfte dieser Altersgruppe (54 Prozent) einen Hochschulabschluss, davon erreichen aber nur 7 Prozent die höchsten Kompetenzwerte. Allein in Finnland ist das Verhältnis ausgewogen (40 zu 37 Prozent). „Das ist ein alarmierendes Signal“, schreiben die Autorinnen. „Wenn Abschlüsse ihre Bedeutung verlieren, schwächt dies nicht nur das Vertrauen der Arbeitgeber, sondern auch die Mobilität auf dem europäischen Arbeitsmarkt.“
Für den Bericht wurden jüngste Studien zum Thema ausgewertet und zusammengeführt.
Der Bericht ist als WZB Discussion Paper erschienen und steht zum Download bereit.
Jutta Allmendinger, Ellen von den Driesch: Social Inequalities in Europe: Facing the Challenge, Berlin: WZB Discussion Paper P 2014-005.
www.wzb.eu/sites/default/files/u6/p14-005.pdf
Die Studie wurde von der Europäischen Kommission gefördert und dient als Grundlage für einen Kommissionsbericht, der Anfang 2015 erscheint.
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