Mindestens 13 EU-Staaten müssen die Einrichtung eines einheitlichen Patentgerichts ratifizieren, bevor der einheitliche Patentschutz für den Europaraum tatsächlich greift. Aber auch praktische Probleme machen die Einführung schwierig.
Schöne neue Patentwelt: Am 1. Januar 2014 soll in 24 EU-Mitgliedstaaten endlich das so genannte EU-Einheitspatent eingeführt werden. Unternehmen haben dann die Möglichkeit, ihre Innovation mit Hilfe eines einzigen Antrags in allen Teilnehmerstaaten schützen zu lassen. Mehr als 40 Jahre zähe Verhandlungen über konkrete Regeln und nötige Institutionen führten im Herbst letzten Jahres endlich zu einem unterschriftsreifen Kompromiss, der ein vereinheitlichtes europäisches Patentsystem für Europa nun tatsächlich ermöglichen soll. Vorteile soll es vor allem in punkto Gültigkeit und Kosten bieten.
Bisher gab es nur die Möglichkeit, Innovationen im gewünschten Zielland beim dort ansässigen, nationalen Patentamt anzumelden, oder den Weg über das europäische Bündelpaket der Europäischen Patentorganisation zu beschreiten. Entscheidender Nachteil der bisherigen europäischen Variante: Das Patent muss weiterhin in jedem Zielland validiert und durch die Zahlung von nationalen Jahresgebühren am Leben erhalten werden. Bei der Überprüfung der Rechtsbeständigkeit der einzelnen Bündel-Patente gelten nationale Gesetze und Zuständigkeiten. In Zukunft soll ein einziges Erteilungsverfahren genügen, um Patentschutz in 25 Mitgliedstaaten zu erlangen. Allein dies spart deutlich Kosten für den Anmelder. Übersetzungserfordernisse in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sollen ganz wegfallen, so dass der teilweise massive Übersetzungsaufwand drastisch reduziert wird. Michael Sneddon, CEO des weltweit tätigen Patent-Übersetzungsdienstleisters MultiLing, sieht hier den größten Vorteil für Unternehmen: “Die neue Regelung wird sicherlich zu einer insgesamt steigenden Anzahl an Patentanmeldungen in Europa führen, denn viele Unternehmen scheuen bisher den enormen Aufwand und die hohen Kosten, die zu einem nicht unerheblichen Teil durch den Übersetzungsaufwand verursacht wird.“ Mit diesem Argument wirbt auch die Europäische Union für ihr Einheitspatent, denn die Anmeldezahlen in Europa steigen nur noch um moderate 5 bis 6 Prozent im Jahr. „Ganz anders sieht es im asiatischen Raum aus. China war im Jahr 2011 erstmals das Land mit den meisten Patentanmeldungen weltweit.“, sagt Sneddon.
Einige Länder proben bereits den Aufstand
Auf den ersten Blick scheint also der Euroraum in Sachen Patente auf dem richtigen Weg zu sein. Doch irritierend wirkt, dass Italien und Spanien, zwei für den europäischen Absatzmarkt durchaus wichtige Staaten, dem Patentabkommen beziehungsweise der Vereinbarung zu einer europäischen Patentgerichtsbarkeit zunächst nicht beigetreten waren. Beide Länder sind im April mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert, Italien hat inzwischen zumindest dem Gerichtsabkommen zugestimmt, während Spanien weiter alle Unterschriften verweigert. Auch in Polen regt sich Widerstand gegen das Gerichtsabkommen. Dr. Ernst Fischer von der Münchener Patentanwaltskanzlei PATERIS sieht die versprochene Kostenreduzierung von bis zu 70 Prozent als reine Augenwischerei. „Schon heute validieren viele Unternehmen ihre Euro-Patente nur in drei bis sechs Ländern, und decken damit schon rund 50 Prozent des europäischen Marktes ab. Hier bietet das neue System gegenüber dem alten so gut wie keinen Kostenvorteil. Zumal haben sich wichtige Länder in Europa im Londoner Protokoll zusammen getan und bereits auf Übersetzungserfordernisse beim Bündel-Patent verzichtet“. Aber auch bei der Durchsetzung sieht der Münchner Patentexperte eine Vielzahl von Problemen: “In Zukunft wird es möglich sein, mit einer einzigen Klage ein Patent zu vernichten, die bei Erfolg dann sofort auf den gesamten EU-Raum durchgreift. Es ist ohnehin fraglich, inwieweit Patentschutz in allen 25 Ländern erstrebenswert sein soll, um damit Gefahr zu laufen, dass auf einen Schlag das Patent in all diesen Ländern vernichtet werden kann. In der Regel ist diversifizierter Patentschutz in einigen ausgewählten Ländern völlig ausreichend. Wichtige Märkte wie Italien, Spanien, Schweiz, Norwegen und Türkei sind ohnehin mit dem Einheitspatent nicht zu erreichen. Dadurch manifestiert sich weiter die Fragmentierung des Schutzrechtssystems und von Vereinheitlichung kann keine Rede sein“, sagt Fischer. „Wenn jetzt Polen auch noch einen Rückzieher macht und seine Unterschrift bis auf weiteres verweigert, wird das das Einheitspatent löchrig wie ein Schweizer Käse.“
Auch Großbritannien gilt aufgrund seiner zunehmend europa-kritischen Haltung derzeit als Wackelkandidat im weiteren Prozess der Einführung des Einheitspatents: Denn vor Inkrafttreten des Einheitspatents muss die Einrichtung eines einheitlichen Patentgerichts mit Sitz in Paris von den Parlamenten in mindestens 13 EU-Staaten ratifiziert werden, darunter zwingend Deutschland, Großbritannien und Frankreich. . Es wäre nicht das erste Mal, dass die Einführung auf der Zielgerade scheitert. Patentanwalt Fischer jedenfalls ist überzeugt: „Es kann leicht noch ein Jahrzehnt vergehen, bis das Einheitspatent zum Alltag in den Innovationsabteilungen von Unternehmen gehört.“