„Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof.“
„Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen keine Jacke.“
Wenn es bei Ihnen etwas gedauert hat um diese beiden Sätze in einen Zusammenhang zu setzen, sind Sie nicht allein. In einer Studie fand man heraus, dass Menschen die zuerst erwähnte maskuline Form viel eher mit Männern verbinden und eben nicht, wie oft behauptet, mit allen Geschlechtern. Außerdem dauerte es deutlich länger bis die Versuchspersonen die Frage „Ist der zweite Satz eine mögliche Fortsetzung des ersten?“ mit Ja beantworteten, wenn der zweite Satz Frauen statt Männer enthielt. Das zeigt, dass die Sprache, die wir verwenden durchaus einen Einfluss darauf hat, wen wir uns bei einer Aussage vorstellen und so auch auf die Sichtbarkeit von Frauen in der Sprache. Der logische Schluss wäre hier: Wird nur das generische Maskulinum verwendet, so werden Frauen in der Sprache und den Köpfen der Menschen weniger sichtbar. Wichtig ist dabei, dass sich diese Prozesse nicht bewusst, sondern oft unterbewusst abspielen.
Ingenieurinnen und Ingenieure – Frauen in der Arbeitswelt
Bei einer Studie mit Kindern, fand man Ähnliches heraus: werden beide Formen einer Berufsbezeichnung verwendet, trauen sich Mädchen deutlich öfter typisch männerdominierte Berufe zu und Jungs deutlich öfter typisch frauendominierte Berufe. Genauso verhält es sich bei Erwachsenen. Wird in einer Jobanzeige die männliche Form verwendet, so bewerben sich Frauen seltener auf die Stelle. Außerdem werden sie auch von Entscheidungspersonen seltener als kompetent eingestuft und seltener eingestellt, wenn dies der Fall ist.
In Zeiten des Fachkräftemangels können wir uns diese Verzerrungen nicht leisten. Stattdessen sollten alle Menschen dazu ermutigt werden, unabhängig vom Geschlecht jeden Beruf zu verfolgen, den sie ausüben möchten. Die Sprache könnte dabei einen deutlichen Effekt haben.
Wie kann man Frauen sichtbarer machen?
Möchte man diese Lücke in der Wahrnehmung schließen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man könnte beispielsweise bei Stellenanzeigen beide Geschlechter nennen: ein Arzthelfer oder eine Arzthelferin. Außerdem könnte man Gender-Zeichen verwenden wie Doppelpunkte, Sternchen oder einen Unterstrich zwischen der männlichen und weiblichen Form. So spricht man Männer, Frauen und alle an, die sich als weder noch identifizieren. Eine bereits viel verwendete Möglichkeit neutrale Sprache zu verwenden, bei der alle Geschlechter gemeint sind, ist die Neutralisierung. Dabei benutzt man einfach eine neutrale Form, wie zum Beispiel „Lehrkraft“ oder das substantivierte Partizip, wie es sich heute schon an Universitäten durchgesetzt hat: „Studierende“. So kann man auch einen besonderen Fokus auf das Geschlecht verhindern.
Diese Anpassung der Sprache kann auch als Bewusstmachung der bisher unterbewussten Voreingenommenheit dienen. Denn oft sind sich Menschen aller Geschlechter dieser Effekte auf das Denken gar nicht bewusst. Gendergerechte Sprache hilft dabei, ein akkurateres Bild unserer Realität widerzuspiegeln und uns die gesellschaftlichen und gedanklichen Vorurteile vor Augen zu führen.