Der Mindestlohn verunsichert die oberbayerische Wirtschaft massiv. Die größten Sorgen bereiten den Unternehmen die Generalunternehmerhaftung, Dokumentationspflichten von Arbeitszeiten und Fragen zum Praktikantenstatus. „Das Gesetz ist mit unglaublichem Tempo zu Lasten der Unternehmen durchgepeitscht worden“, sagt Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern. Bereits zwei Wochen nach Inkrafttreten zeige sich, dass dringender Nachbesserungsbedarf besteht.
Der größte Kritikpunkt ist die Generalunternehmerhaftung. Sie bedeutet, dass Unternehmen dafür bürgen, dass auch ein Subunternehmer den Mindestlohn zahlt. Mit Vertragsklauseln, kann er dazu zwar verpflichtet werden. Klarheit könnte jedoch nur ein Einblick in die Lohnkalkulation des Subunternehmers bringen. Dies verbietet jedoch der Datenschutz. „Die Situation ist nicht tragbar. Die Unternehmen bürgen für etwas, das sie nicht kontrollieren können“, so Driessen.
Der zweite Kritikpunkt ist die erhebliche Bürokratie durch Aufzeichnen von Arbeitszeiten. Zusätzlich zu allen gewerblichen 450-Euro-Jobs müssen in bestimmten Branchen, zum Beispiel Gastronomie oder Speditionen, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit erfasst und zwei Jahre aufbewahrt werden. Dies gilt sogar für eine kurzfristige Aushilfe, beispielsweise als Ferienvertretung. Auch wenn das Arbeitsministerium mittlerweile die Aufzeichnungspflichten konkretisiert hat und eine Verdienstgrenze von 2.958 Euro pro Monat eingezogen hat, bis zu der die Erfassung greift, ist die Belastung enorm: Da die meisten Teilzeitkräfte weniger verdienen, müssen ihre Arbeitszeiten dokumentiert werden. „Dies führt zu der absurden Situation, dass für Beschäftigte mit derselben Tätigkeit, aber mit verschiedenen Arbeitsstunden, unterschiedliche Aufzeichnungspflichten gelten“, so Driessen weiter. Selbst für eine Vollzeitkraft ist diese Grenze zu hoch: Bei einer 40-Stundenwoche bedeutet dies einen Stundenverdienst von rund 16 Euro. „Es leuchtet doch jedem ein, dass diese ‚Verdienstgrenze‘ über das Ziel hinausschießt“, so Driessen. Grundsätzlich rät der IHK-Hauptgeschäftsführer dringend zur deutlichen Absenkung der Höchstgrenze und Berücksichtigung von Teilzeit.
Dritter Kritikpunkt ist die Anwendung des Mindestlohns auf Praktikanten mit abgeschlossener Berufsausbildung oder Bachelorabschluss. Auch wenn jemand nur wenige Wochen in ein Unternehmen „hineinschnuppern“ möchte, muss ihm der Mindestlohn gezahlt werden. „Im Zweifel werden solche Einblicke in Unternehmen künftig gar nicht mehr angeboten“, befürchtet Driessen.
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