Sascha Schnürer ist Landesvorstand im Ressort Politik der Wirtschaftsjunioren Bayern. Er weiß, was der Brexit für die Unternehmen in Bayern, Deutschland und Europa bedeutet und was er für Auswirkungen haben kann.
Wie ist Ihre Meinung als „politischer Kopf“ der Wirtschaftsjunioren in Bayern zum Brexit, also dem Ausstieg der Briten aus Europa?
Wissen Sie, unsere Meinung hier in Bayern spielt dazu überhaupt keine Rolle. Wir wurden und werden nicht gefragt. Es ist die Entscheidung der Briten, und die haben wir zu respektieren.
Aber dies wird doch auch Deutschland betreffen. Welche Auswirkungen befürchten Sie?
Zunächst befürchte ich materiell überhaupt keine Auswirkungen. Derzeit ist noch nicht mal ein Antrag in der EU gestellt. Ich glaube nicht, dass wir das in Bayern groß spüren werden. Da haben sich unsere Kollegen vom Verband der bayerischen Wirtschaft vielleicht zu stark von Emotionen leiten lassen, als sie gleich die größten Auswirkungen für uns Unternehmer prognostiziert haben am Wochenende. Ein Mitglied bei uns hatte gleich seine Projekte in London den „Bach runterschwimmen“ gesehen. Die Briten haben sich seit jeher in der EU stark separiert, weder an der Währungsreform noch am Schengener Abkommen beteiligt. Den Binnenhandel mit Großbritannien können wir auch so regeln. Das sieht man ja an TTIP oder CETA – *lacht*. Da es sowieso einen riesigen Dissens zwischen London und Brüssel bei der Frage der Regulierung des Finanzmarktes gab, sehe ich hier sogar große Chancen für Europa, in der für mich seit Jahren ungelösten „Finanzkrise“ einen Schritt weiter zu kommen. Angst vor der Zukunft habe ich nicht.
Sie sprachen jetzt von „materiellen“ Auswirkungen. Wie sieht es mit „immateriellen Auswirkungen“ aus?
Das ist etwas, was mich schon eher beschäftigt. Die Sinn-Frage nach einem starken Europa. Denn Großbritannien, nach den aktuellen Analysen England besser gesagt, ist ja kein Einzelfall. Egal, wo man in Europa hinsieht, die Frage der Separierung und Abkapselung zieht sich quer durch Europa. Und ich würde nicht wissen wollen, wie das Referendum in ganz Europa ausgegangen wäre.
Tritt der viel zitierte Domino-Effekt ein?
Nein. In anderen Staaten wie zum Beispiel in den Niederlanden ist man selbstständig schon auf den Weg gegangen. Im Gegenteil, durch die Ratlosigkeit und Planlosigkeit der britischen Oppositionsführer ist dies wahrscheinlich der beste Beweis dafür, dass die „Wir-sind-gegen-alles-Parteien“ einfach unfähig sind, zu führen und tatsächliche Lösungen anzubieten. Anscheinend waren sie auf das Ergebnis nicht vorbereitet. Ich denke, das wirkt sich in Deutschland auch auf so manch hochstilisierte „junge Partei“ aus.
Sie sind Vertreter eines Verbandes „junger“ Unternehmer. Welche Rolle spielt Ihre „Zielgruppe“ in Bayern, Deutschland, Europa? Die Wirtschaftsjunioren gibt es ja überall?
Wir müssen intern und mit unseren Mitgliedern natürlich die Konsequenzen und Lehren aus der Thematik diskutieren. Auch am Beispiel des Referendums sieht man einen Generationenkonflikt, der vor allem in Deutschland, aber auch im Rest von Europa immer deutlicher zu Tage tritt. Der demografische Wandel ist nicht nur ein Thema für die Sozialkassen, sondern auch und insbesondere an der Wahlurne. Die Mehrheit unserer Generation war in Großbritannien für einen Verbleib. Der Zuspruch für Europa der jungen Führungskräfte und Unternehmer war sogar noch deutlich höher. Hier gilt es, fehlende Masse durch eine starke Einigkeit und Mobilisierung zu kompensieren.
Was wünschen Sie sich nun von der Politik?
Von der englischen, dass sie nüchtern dem Wunsch des Volkes nachgeht und sich neu sortiert. Denn das ist Demokratie. Von der deutschen und europäischen Politik, dass man die Chancen aus dem ganzen Desaster erkennt und nutzt. Im politischen Alltag wünsche ich mir, dass man „Europa“ vielleicht in Zukunft wieder eher für die großen „Dinge“ entdeckt und eine gemeinsame europäische Vision vermittelt mit den großen Leitplanken „Freiheit“ und „Sicherheit“; und dass sich die EU weniger ins Alltags-Klein-Klein der Bevölkerung einmischt. Hier werden wir auch gerne unterstützen als Wirtschaftsjunioren. Unser Projekt „talk-EU“, bei dem wir Schülern die Vorteile der EU bayernweit vermitteln, und der Know-How-Transfer mit Brüssel sind hierzu geeignete Instrumente, die wir bereits am Laufen haben.