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Mann oder Frau – wer ist der bessere Chef?

Prof. Dr. Walter Simon über feministische Mythenbildung zum Nachteil der Frauen

Deutschlands Großkonzerne wollen die Frauenoffensive auf die Chefsessel unterstützen. In der Telekom sollen bis 2015 rund 30 Prozent Frauen Führungsverantwortung übernommen haben. Fast ein Drittel der Führungsmannschaft der Allianz-Versicherung soll, jedoch ohne Terminnennung, aus Frauen bestehen. Infenion will bis 2015 etwa 15 Prozent Frauen auf Chefsessel hieven. BMW hat sich bis 2020 eine Frauenquote im Führungskorps von 15 bis 17 Prozent verordnet.

Die Selbstverpflichtungen von Unternehmen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, verheißen Gutes, vor allem dann, wenn das zutrifft, was eine Gruppe von Unternehmensberatern, Wirtschaftstrainern und Publizisten, zumeist weiblichen Geschlechts, erkannt haben wollen. Demnach sind Frauen im Vergleich zu Männern teamfähiger, toleranter, mutiger, zäher, hartnäckiger, konsensorientierter, fürsorglicher, flexibler, sozial kompetenter, ausgleichender, inspirationsaktiver, ruhiger, kreativer, weitblickender, empathieorientierter, realistischer, frustrationsfähiger, motivationsstärker, kommunikativer, diplomatischer und stressstabiler. Offensichtlich beherrschen sie die Klaviatur der Soft Skills perfekt. Außerdem sollen sie eine natürliche Begabung zum Multitasking haben, effizienter in der Setzung von Prioritäten und im ganzheitlichen Denken sein und sich weniger fremdsteuern lassen als Männer. Auch gelten sie sich als Planungsprofis, erfassen Situationen besser als Männer und kommen schneller zum Punkt. Man könnte mehrere Seiten dieses Artikels mit dieser Art von Lobhudelei füllen. Wenn sie zuträfen, müsste die Bezeichnung ‚schwaches Geschlecht‘ eliminiert und durch ’starkes Geschlecht‘ ersetzt werden. Aber leider sind die aufgezählten Eigenschaften teilweise auch noch widersprüchlich.

Feministische Mythenbildung versus Führungstheorie
Die Überzeichnung von Positiveigenschaften weiblicher Führungskräfte erinnert sehr an die Zeiten der ‚Eigenschaftentheorie‘, auch ‚great man theory‘ benannt. Sie untersuchte, was welche eigenschaften Führer von Geführten unterscheidet beziehungsweise wodurch sich gute Führer von schlechten abheben. Die Begründung für den angeblichen Führungserfolg von Frauen beruht aber insbesondere auf den oben weiblichen Eigenschaften. Von ‚great man‘, zur ‚great woman‘.

Doch erwies sich die Eigenschaftentheorie sich als wenig konsistent. Theorie und Praxis erkannten, dass Führung nicht einfach eine Sache des passiven Status oder des einfachen Besitzes von Eigenschaften ist, sondern eine dynamische Beziehung zwischen den Mitgliedern einer Gruppe, in welcher der/die Führer/in ihren/seinen Status erhält, indem sie/er sich mit ihrem/seinem Wissen und Können orientierend auf die Gruppe einwirkt.

Der Eigenschaftentheorie folgte die Situationstheorie. Hier wurde der situative Kontext in die Analyse des Führungserfolges eingebracht. Unterschiedliche Sachverhalte erfordern entsprechende Führungsstile. Führung soll sich deshalb flexibel in Abhängigkeit von gegebenen Situationen beziehungsweise Problemen vollziehen. Zu den situativen Faktoren können der Reifegrad der Mitarbeiter, das individuelle und das organisationsspezifische Wertesystem, die fachliche Kompetenz, die Art der Aufgaben, die Eigenschaften der Gruppen und viele Faktoren mehr gehören.

Wenn es zutrifft, dass zwei elementare Verhaltensweisen, nämlich Leistungsorientierung und Mitarbeiterorientierung einander ergänzend den Führungserfolg konstituieren, dann scheint den Frauen eine Seite der Münze zu fehlen. Deren Stärken liegen, so die Sichtweise der feministischen Mythenbildner, im Bereich der Mitarbeiterorientierung.

Die Frauenfans haben mit ihrer Betonung der besseren Sozialkompetenz der Frauen, diese einseitig auf eine Rolle festgelegt, die der Wirklichkeit der des Managements nicht gerecht wird. Eine gute Führungskraft muss die ganze Bandbreite an Führungsverhaltensweisen beherrschen. Sie muss bei einer getürkten Reisekostenabrechnung mit der gebotenen Strenge reagieren und im Krankheitsfall Fürsorge zeigen.

Oswald Neuberger hat schon vor 20 Jahren auf den Spannungsbogen in der Zweiteilung von fürsorglicher Mitarbeiterorientierung einerseits und gewinnorientierter Leistungsorientierung andererseits aufmerksam gemacht hat. Er betont, dass Führung in Organisationen normalerweise keine freie schöpferische Tätigkeit, sondern durch Zwänge, Pflichten, Normen usw. eingeengt sei (1). Viele Seiten richten Erwartungen an den Vorgesetzten, die jedoch unklar und widersprüchlich sind und deshalb ständige Such-, Interpretations- und Gestaltungsleistungen erfordern. Er spricht von Dilemmata und charakterisiert sie als antagonistische Widersprüche. So soll die Führungskraft einerseits Distanz wahren, andererseits aber Offenheit und Nähe aufbauen. Man erwartet, dass sie/ er kooperiert, aber zugleich Konkurrenz schafft. Sie/er soll auf Sachlichkeit achten, aber auch Emotionalität zeigen, soll Ordnung durchsetzen und gleichzeitig Freiheit ermöglichen, soll vertrauen, aber auch kontrollieren. Anders ausgedrückt: Die/de Manager/in muss männlich und weiblich zugleich sein.

Jene feministischen Mythenbildner, die sich auf die Führungsforschung berufen, sollten genau nachlesen, was dort geschrieben steht. Frauen sind falsch beraten, wenn sie den vielleicht gut gemeinten Lobpreisungen von Personalberaterinnen und Managementtrainerinnen Glauben schenken. Sie müssen dann damit leben, dass sie an solchen Etikettierungen, wie oben aufgezählt, gemessen werden. Die Sozialwissenschaftlerin Daniela Rastetter bringt es in einer Analyse auf den Punkt: „Es scheint, dass Frauen in die Falle der Macht laufen, wenn sie die ihnen zugeschriebenen Eigenschaften als wahr und authentisch anerkennen“, denn „nach wie vor dienen die als weiblich bezeichneten Eigenschaften dazu, Frauen von Entscheidungspositionen fern zu halten“. (2) Je weiter man/frau nach oben kommt, umso mehr nehmen die Konflikte der Steuerleute untereinander zu und umso mehr erweisen sich mütterliche Wesenszüge als kontraproduktiv.

Die Mär von den besonderen weiblichen Eigenschaften ignoriert, dass ein Spitzenjob in Wirtschaft oder Verwaltung aus Führung und Management besteht. Als Führungskraft wirkt die/der Vorgesetzte auf Menschen ein, als Manager/in auf technische und organisatorische Systeme und Sachverhalte. Führen bedeutet Sinn zu vermitteln, zu motivieren, kommunizieren und zu korrigieren, um nur die wichtigsten Führungsaufgaben zu nennen. Im Unterschied dazu geht es beim Managen eher darum, ‚Dinge‘ und Menschen durch Methoden, Techniken und Kontrolle in Bewegung zu bringen, Zahlen und Daten zu analysieren und handzuhaben, Ziele zu vermitteln und das Unternehmen zu repräsentieren. Je weiter man/frau nach oben kommt, umso breiter muss das Set an Fähigkeiten, Eigenschaften und Verhaltensmöglichkeiten aus beiden Bereichen sein.

1 vgl. Oswald Neuberger: Führen als widersprüchliches Handeln, in: Psychologie und Praxis. Zeitschrift für Arbeits- und Organisations-psychologie, 1983
2 Daniela Rastetter, Frauen – die besseren Führungskräfte? ‚Soft skills‘ als neue Anforderungen im Management, Journal für Psychologie, 5. Jahrgang, Heft 2, S. 51.

prof-simon1Dr. Walter Simon
Walter Simon gründete 1982 das Innovationsteam für Produktion und Wirtschaft GmbH (IPW-Training und Consulting GmbH), aus dem später das Corporate University Center hervorging. Er zählt zu den bekannteren deutschen Wirtschaftstrainern, Zukunftsberatern und Business-Speakern. 2006 gewann er den Internationalen Trainingspreis in Silber.

Bildnachweis: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

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