Die neue Mindestlohn-Regelung führt in deutschen Unternehmen fast aller Größenordnung zu deutlicher Verunsicherung und zahlreichen Fragen. Rechtsanwältin Simone Weber aus München erläutert in einem dreiteiligen Beitrag exklusiv für mittelstandinbayern.de, was sich geändert hat und worauf Unternehmer unbedingt achten müssen.
Teil 1:
Für wen gilt der ab dem 01.01.2015 eingeführte Mindestlohn
Seit dem 01.01.2015 gilt flächendeckend für das gesamte Bundesgebiet der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von € 8,50 brutto die Stunde gemäß Mindestlohngesetz. Rund 3,7 Millionen Beschäftigte sollen von dieser Regelung profitieren. Ob dies der Fall ist, wird sich noch zeigen. Grundsätzlich haben alle Arbeitnehmer, die in Deutschland beschäftigt werden, hierauf Anspruch, egal ob das Unternehmen seinen Sitz in Inland oder Ausland hat. Vereinbarungen, die dazu führen, dass der gesetzliche Mindestlohn unterschritten, beschränkt oder ausgeschlossen wird, sind generell unzulässig. Arbeitnehmer können auf den gesetzlichen Mindestlohn auch nicht verzichten, es sei denn im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs.
Gibt es für den Mindestlohn Ausnahmen, z.B. durch Tarifverträge oder generell für bestimmt Berufsgruppen?
Kein Gesetz ohne Ausnahme, so auch hier. Es gibt Branchen, in denen der Mindestlohn bislang deutlich unter € 8,50 lag. Diesen wurde eine Übergangszeit bis zum 31.12.2016 unter bestimmten Voraussetzungen zugestanden.
Bei bestimmten bundesweit geltenden Tarifverträgen, die nach dem Arbeitnehmerentsendegesetzes oder dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes per Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärt worden sind, können Lohnzahlungen unter € 8,50 brutto/Std. noch erlaubt sein. Dies betrifft z.B. das Baugewerbe, Dachdecker, Elektrohandwerk, Gebäudereinigung, Friseurhandwerk, Abfallwirtschaft. Geltende allgemeinverbindliche Tarifverträge die vorgenannte Voraussetzungen erfüllen und in denen bis zum 31.12.2016 das Mindestlohnniveau von € 8,50 erreicht wird, bleiben dann auch weiterhin gültig. Sollte das Lohnniveau jedoch nicht erreicht werden, müssen diese Tarifverträge ab dem 01.01.2017 auch den gesetzlichen Mindestlohn ausweisen. Für alle sonstigen Tarifverträge gilt, dass der Mindestlohn vorgeht, wenn die Lohnbestimmungen dort einen geringeren Stundenlohn ausweisen.
Auch für Zeitungszusteller ist nur eine stufenweise Einführung des Mindestlohns vorgesehen. Diese erhalten zunächst mindest 75%, ab dem 01.01.2016 mindestens 85% und ab dem 01.01.2017 dann ebenfalls € 8,50 Mindestlohn.
Für wen gilt der Mindestlohn?
Der Mindestlohn gilt grundsätzlich für alle
- Arbeitnehmer über 18 Jahren und
- grundsätzlich auch in allen Branchen, mit den vorgenannten tariflichen Ausnahmen.
Der Mindestlohn gilt also auch für:
- Schüler, die über 18 Jahre alt sind
- Schüler, die bereits über eine abgeschlossen Berufsausbildung verfügen
- Rentner
- Saisonkräfte: Hier gilt für die Dauer von vier Jahren nunmehr aber zunächst die Erleichterung der kurzfristigen sozialabgabenfreien Beschäftigung von jetzt bis zu 70 Tagen oder längstens drei Monaten. Die kurzfristige Beschäftigung muss aber vertraglich vereinbart sein oder nach der Art der Beschäftigung begrenzt angelegt sein und diese darf nicht berufsmäßig ausgeübt werden
- Ausländische Arbeitnehmer, die in Deutschland tätig sind, egal ob für ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland oder im Ausland
- Grenzüberschreitende Arbeitnehmer insoweit sie in Deutschland tätig werden
- Praktikanten, die freiwillig ein Praktikum von über drei Monate ableisten, egal ob schul-, berufs- oder studienbegleitend. Diesen ist der Mindestlohn vom ersten Tag an zu zahlen. Dies gilt selbst dann, wenn ursprünglich nur ein Praktikum bis zu drei Monaten vereinbart worden ist und das Praktikum dann doch länger fortgesetzt wird
- Minijobber
Der Mindestlohn gilt nicht für:
- Ehrenamtliche und Personen, die rein freiwillige Dienste leisten
- Heimarbeiter nach dem Heimarbeitsgesetz
- Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsförderung
- Langzeitarbeitslose, die über ein Jahr arbeitslos waren, aber nur während der ersten sechs Monate ihrer Beschäftigung
- Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz, diese werden entsprechend des Berufsausbildungsgesetzes gezahlt
- Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung
- Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum aufgrund schul- oder hochschulrechtlicher Bestimmungen, einer Ausbildungsordnung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten.
- Praktikanten, die ein freiwilliges Praktikum bis zu drei Monaten ableisten, wenn das Praktikum der Berufsorientierung dient oder ausbildungs- oder studienbegleitend geleistet wird. Achtung!: Wird das Praktikum auch nur einen Tag über die drei Monate hinaus fortgesetzt, muss der Mindestlohn vom ersten Tag der Beschäftigung an gezahlt werden.
- Teilnehmer im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung nach § 54 a SGB III
- Teilnehmer im Rahmen von Maßnahmen einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68-70 Berufsbildungsgesetz
Was ist bei Minjobbern zu beachten?
Aufgrund der € 450,00 bei Minijobbern ergibt sich eine maximale Arbeitszeit von 52,9 Stunden monatlich bei € 8,50 brutto/Std. Bei einer entsprechend hohen vereinbarten Arbeitsstundenzahl kann der Stundenlohn deshalb dazu führen, dass ab Jahresbeginn 2015 die jährliche Entgeltgrenze von € 5400,00 überschritten wird.
Dies gilt im Übrigen auch, wenn die Grenze durch Einmahlzahlungen überschritten wird, z.B. weil das Unternehmen den Arbeitnehmer bislang zwar nur 50 Stunden im Monat zu € 8,00 beschäftigt hat, aber eine Sonderzahlung von € 400,00 vereinbart hat. 2014 wäre damit die Jahresgrenze von € 5.200,00 noch eingehalten, 2015 hätte der Arbeitnehmer dann aber Anspruch auf € 5.500,00 (50 Std. x 12 Monate x € 8,50 + € 400,00) und die Tätigkeit hierdurch ebenfalls versicherungspflichtig würde.
Dies bedeutet allerdings, dass bei Einhaltung des Mindestlohnes die € 450,00 Grenze schnell erreicht ist. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, die Beschäftigung versicherungsrechtlich zu beurteilen, also festzustellen, ob es sich um eine geringfügige oder versicherungspflichtige Beschäftigung handelt. Für Arbeitnehmer mit Arbeitsentgelten von mehr als € 450,00 bis maximal € 850,00 gelten dann die Bestimmungen zur Versicherungspflicht in der Gleitzone.
Diese Problematik lässt sich nur vermeiden, indem entweder die Arbeitsstunden entsprechend reduziert werden oder Einmalzahlungen nicht mehr geleistet werden. Für beide dieser Alternativen ist die Änderung des Minijob-Vertrages mit dem Arbeitnehmer erforderlich, entweder durch einvernehmliche Vertragsänderung oder Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages. Ist der Arbeitnehmer hiermit nicht einverstanden, wird sein Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungspflichtig und ist insoweit auch als solches zu führen.
Über die Autorin:
Rechtsanwältin Simone Weber mit zentralem Kanzleisitz am Sendlinger-Tor-Platz in München ist seit über 16 Jahren zugelassene Rechtsanwältin und im Zivilrecht mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht, Mietrecht und Inkasso bundesweit tätig. Neben ihrer anwaltliche Tätigkeit wird sie auch für Fortbildungsveranstaltungen von Unternehmen im Arbeitsrecht gebucht und ist u.a. Referentin der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Sie veröffentlicht in diversen Onlinemedien regelmäßig Artikel zu aktuellen Entwicklungen im Recht.
Weitere Informationen: http://www.weber-rechtsanwaeltin.de
1 Kommentare
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