„TTIP ja, aber nicht um jeden Preis“ – so lautet die Position von Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft (BVMW), bei der Vorstellung einer repräsentativen Umfrage unter deutschen Unternehmen. Denn der Mittelstandsverband steht grundsätzlich zu TTIP, übt allerdings auch einige grundlegende Kritik. Der wohl bedeutendste Kritikpunkt betrifft die fehlende Transparenz bei den Verhandlungen. „Es ist inakzeptabel, dass über 90 Prozent der Gespräche oder Treffen mit Konzernen oder ihren Lobbyisten stattgefunden haben“, so Ohoven. Der Verband dringt daher auf völlige Transparenz – sowohl für den Mittelstand als auch für die Parlamentarier und die Bürger. Aber auch die Schiedsverfahren in der ursprünglich geplanten Form lehnt Ohoven ab und fordert vielmehr einen Internationalen Handelsgerichtshof mit „echten“ Richtern, transparenten Verfahren und vor allem einer Berufungsmöglichkeit. Auch bei den technischen Standards sieht Ohoven Nachteile für die deutsche Wirtschaft und fürchtet gar eine Wettbewerbsverzerrung. Während in der EU Brüssel die rechtliche Verbindlichkeit für alle 28 EU-Mitgliedstaaten garantieren kann, kann dies die US-Regierung nicht. Denn für Standards sind teils die Bundesstaaten, teils die privaten Institutionen zuständig. „Im worst case droht eine Einbahnstraße, die es US-Firmen erlaubt, in der EU Produkte nach US-Standard zu verkaufen, ohne dass umgekehrt EU-Firmen in den USA Produkte nach EU-Standard anbieten können“, warnt Ohoven. Außerdem sieht er mit dem europäischen Vorsorgeprinzip und dem amerikanischen Nachsorgeprinzip zwei Kulturen aufeinanderprallen. Denn während in der EU neue Produkte vor der Marktzulassung aufwändig getestet und zertifiziert werden müssen, kann in den USA ein Unternehmen mit seinem neuen Produkt sofort auf den Markt gehen und muss erst aktiv werden, wenn Probleme auftreten. „Das ist ein massiver Wettbewerbsnachteil für deutsche Mittelständler“, betont der Mittelstandspräsident.
Großteil der deutschen Mittelständler fürchtet negative Auswirkungen durch TTIP
Auch die deutschen Unternehmen teilen diese Kritik: So kommt die Studie, welche das Forschungsinstitut Prognos und die Schöpfling-Stiftung unter 800 kleinen und mittelständischen Unternehmen durchgeführt haben, zu dem Ergebnis, dass 62 Prozent der befragten Betriebe „eher negative“ oder sogar „sehr negative“ Effekte durch das geplante Freihandelsabkommen fürchten. Lediglich 22 Prozent der Unternehmen sehen positive Auswirkungen. Anders schaut es hingegen bei den bayerischen Unternehmen aus: Hier lässt sich beobachten, dass über alle Branchen hinweg rund 60 Prozent der bayerischen Mittelständler positive beziehungsweise neutrale Auswirkungen durch TTIP erwarten. Nur knapp 36 Prozent der Unternehmen erwarten negative Folgen. Im Dienstleistungssektor sehen gar zwei von drei Unternehmen das Freihandelsabkommen als positiv beziehungsweise neutral an, während nur 28 Prozent negative Folgen durch TTIP erwarten. Allerdings klagt auch die Mehrheit der bayerischen Unternehmen über einen Mangel an Information über die TTIP-Verhandlungen und fordert bessere und vor allem umfassendere Informationen zu diesem Thema. Eine Transparenz-Offensive halten sie daher angesichts des bisherigen Verlaufs der Diskussion für unabdingbar. Trotz aller Kritik ist sich der Mittelstand dennoch darüber im Klaren, dass TTIP enorme Wachstumschancen ermöglicht. Der Mittelstand lehnt daher TTIP nicht kategorisch ab, fordert aber ein faires Freihandelsabkommen. „Dazu muss die Politik die Sorgen der Unternehmen kennen und auch ernst nehmen. Dem dient auch diese Umfrage“, erklärt Ohoven.
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