Vor rund zwei Jahren fuhren große rote Busse mit der Aufschrift „Wir schicken der EU 350 Millionen Pfund pro Woche, lasst uns stattdessen unseren NHS (National Health Service) finanzieren“ durch die Straßen Großbritanniens. Diese Worte hatten einen großen Einfluss auf die britischen Wähler, die sich im Referendum am 23. Juni 2016 für den Austritt aus der Europäischen Union entschieden haben. Leider konnte niemand ahnen, was mit dieser Entscheidung verbunden sein würde – eine Studie des Center for European Reform zeigte, dass Großbritannien derzeit jede Woche 440 Millionen Pfund durch die Auswirkungen des bevorstehenden Brexits auf die Wirtschaft verliert.
Keine Einigung bis zum 29.März?
Obwohl inzwischen tausende Briten gegen den Brexit protestieren, wird das Vereinigte Königreich dennoch voraussichtlich am 29. März 2019 um 23.00 Uhr GMT (00.00 Uhr MEZ) die EU verlassen. Wenn bis dahin kein geordneter Brexit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich verhandelt werden kann, kommt es zum „No-Deal Brexit“. Dieser hätte erhebliche Auswirkungen auf viele Bereiche des Lebens, mit am stärksten werden die Unsicherheiten jedoch vermutlich den Flugverkehr beeinflussen. Kommt es zu keiner Einigung, wird das Vereinigte Königreich damit zu einem Drittland mit geschlossenen Grenzen. Flüge aus dem Vereinigten Königreich könnten nur noch dann auf EU-Flughäfen landen, wenn bilaterale Abkommen getroffen, durch eine Entscheidung der EU-Kommission Übergangsregelungen festgelegt oder befristete nationale Genehmigungen für den Luftverkehr erteilt würden.
„Cinderella-Flüge“ behindern den Zoll
Zehn so genannte „Cinderella-Flüge“ werden am Abend des 29. März 2019 von fünf britischen Flughäfen starten. Zum Zeitpunkt des Abflugs gelten auf diesen Flügen noch EU-Vorschriften, doch bei der Landung liegt keine EU-Mitgliedschaft Großbritanniens mehr vor. Die Passagiere werden also als „Drittstaatsangehörige“ landen, müssen den Zoll passieren und benötigen möglicherweise sogar Visa für ihre Reiseziele.
Doch auch in den Tagen und Wochen danach wird es nicht unbedingt besser. Bis es zu neuen Abkommen zwischen den Ländern kommt, dürfte der Tourismus nach und aus dem Vereinigten Königreich deshalb generell in eine Stagnation geraten. Zahlen aus dem Jahr 2016 zeigen, dass 70 Prozent der Londoner Touristen EU-Bürger sind. Mit strengeren Grenzen und der Notwendigkeit von Reisepässen anstelle von Personalausweisen könnten Reisende nach dem Brexit reale Probleme haben, in das Land einzureisen. Auch der ausgehende Tourismus würde darunter leiden. Die Briten unternahmen 2017 insgesamt 72,8 Millionen Reisen ins Ausland, wobei Spanien mit über 15,8 Millionen Einreisenden das beliebteste Ziel war.
Überarbeitete AGBs und weniger Fluggastrechte
Auch die rechtlichen Bestimmungen sind natürlich vom Brexit betroffen. Fluggesellschaften verkaufen Flugtickets bis zu einem Jahr im Voraus und können sich so zumindest auf das Worst-Case-Szenario des Brexits vorbereiten. Thomas Cook Airlines hat im Hinblick auf den anstehenden EU-Austritt seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits aktualisiert. Dabei wird auf einen No-Deal-Brexit als unkontrollierbare Situation verwiesen, und zwar im Paragraphen „Bürgerkriege oder Ereignisse, die sich aus politischer Instabilität ergeben“. Ryanair äußerte sich hierzu auch und erklärte, die Fluggesellschaft könne aufgrund des Brexits Flüge von und nach Großbritannien bei Bedarf für drei Wochen einstellen.
Die Trennung Großbritanniens von der EU bedeutet außerdem, dass die EU-Verordnung 261/2004 in Großbritannien nicht mehr gilt. Diese Regelung spricht Passagieren eine Entschädigungszahlung bei Verspätungen, Annullierungen oder Überbuchungen von bis zu 600 Euro zu. Der Flugrechte-Spezialist Skycop, erklärt dazu: “Noch ist völlig unklar, ob das Vereinigte Königreich eine eigene Version der Verordnung erstellen oder sie ganz aufgeben wird.“
Der März kommt mit großen Schritten näher, ein Brexit-Deal ist aber bisher nicht in Sicht. Erst mit der Zeit wird sich herausstellen, welche enormen Auswirkungen dieser politische Schritt auf das Vereinigte Königreich, die EU und die ganze Welt tatsächlich haben wird, wenn es denn tatsächlich zum „No-Deal Brexit“ kommt.