Bereits Mitte März malte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland, gegenüber der FAZ ein düsteres Bild für den Einzelhandel: „Im Non-Food-Bereich fallen [durch den Shutdown; Anm. d. Red.] jeden Tag 1,15 Milliarden Euro Umsatz weg.“ Und nicht nur der Einzelhandel ist massiv von den Ausgangsbeschränkungen betroffen. Nahezu jeder Wirtschaftssektor kämpft mit leeren Auftragsbüchern und Umsatzeinbrüchen innerhalb kürzester Zeit. Zwar unterstützt die Politik mit Soforthilfen, Bürgschaften und weiteren Hilfsmaßnahmen die Wirtschaft mit hunderten Milliarden. Klar ist jedoch auch: Je länger sich der komplette Shutdown des wirtschaftlichen Lebens in Deutschland fortsetzt, desto mehr werden Unternehmen, insbesondere KMU, in die Insolvenz getrieben. Mit der gestern gestarteten Petition „#WirSindViele!“ soll die Politik nun zum Umdenken gebracht und Alternativen in Erwägung gezogen werden.
Beispiel Schweden
Im Vergleich zu den meisten europäischen Staaten geht Schweden einen anderen Weg im Umgang mit der Corona-Pandemie: Es gibt keine rigorosen Ausgangsbeschränkungen, Bars und Restaurants sind geöffnet, Kindertagesstätten und Grundschulen weiter in Betrieb. Zwar gibt es auch hier einige Restriktionen. Grundsätzlich appelliert man aber an das soziale Bewusstsein der Bevölkerung. „Wir alle müssen als Individuen unsere Verantwortung übernehmen“, bekräftigt der schwedische Premier Stefan Löfven. Täglich bittet die Regierung deshalb die Bevölkerung soziale Kontakte zu minimieren, unnötige Reisen zu unterlassen, persönliche Schutzmaßnahmen einzuhalten und besonders ältere Mitbürger zu schützen. Zu einer schnelleren Ausbreitung als in Deutschland oder Frankreich kam es nicht.
Und auch einige Wissenschaftler stellen die momentanen Maßnahmen in Frage. Hauptargument ist dabei, dass aufgrund der aktuellen Datenlage noch keine fundierten Aussagen getroffen werden können. „Es gibt zum Beispiel bisher keine Hinweise, dass Corona in Friseursalons oder Restaurants verbreitet wird“, betonte Hendrik Streeck, Leiter der Virologie am Bonner Universitätsklinikum, bei Markus Lanz (ZDF). „Wir reden sehr viel über Spekulationen und Modellrechnungen. Dabei muss aber nur ein Faktor falsch sein und dann fällt das Ganze in sich zusammen wie ein Kartenhaus“ so Streeck weiter.
Sollten die umfangreichen Einschränkungen also wieder aufgehoben werden und Deutschland dem schwedischen Beispiel folgen? Einige Unternehmerinnen und Unternehmer fordern nun genau dies mit einer neu gestarteten Petition.
#WirSindViele
Die Initiatorinnen Melanie Vogel und Nadja Forster, selbst Unternehmerinnen, möchten mit ihrer Petition die Politik auffordern, einen neuen Weg einzuschlagen: „Viele von uns werden gerade unverschuldet an den Rand der Existenz gedrängt. Viele von uns leiden seit Wochen unter einem Berufsausübungsverbot.“ Die derzeitigen Hilfsmaßnahmen reichen deshalb bei weitem nicht aus. Viele kleine und mittelständische Unternehmen sowie Solo-Selbstständige können so nur ein oder zwei Monate überbrücken. Auch einige Politiker fordern inzwischen das Ende des generellen Shutdowns. So plädiert FDP Landtags-Fraktionschef Martin Hagen dafür, dass Geschäfte in Bayern wieder öffnen dürfen, sobald sie ihre Kunden zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz verpflichten und dies sicherstellen.
#WirTragenDeutschlandMit
Konkret werden in der Petition fünf Forderungen an die Bundesregierung und die Regierungen der Länder gestellt:
- Bis Ostern über gangbare Alternativen für ein Shutdown nach Ostern zu verhandeln und dazu die Wirtschaft – insbesondere auch die KMU – mit an den Szenarientisch zu holen.
- Ein nachhaltiges und enkeltaugliches Ausstiegsszenario als oberste Lösungsprämisse zu verfolgen, die alle Gesellschaftsschichten in deutschland berücksichtigt – auch die Unternehmerinnen und Unternehmer.
- Die politischen Voraussetzungen für ein besonnenes Krisenmanagement zu schaffen, damit Wirtschaft und Gesellschaft in Zukunft nie wieder derart auf null heruntergefahren werden.
- Den Unternehmen in Deutschland ihre Handlungsfähigkeit zurückzugeben.
- Alle Einschränkungen der Freiheits- und Persönlichkeitsrechte zu beenden.
Informationen zur Petition, Möglichkeiten diese zu unterstützen sowie weitere Kommentare von Unternehmerinnen und Unternehmern finden Sie unter https://www.unternehmen-in-not.help.