Mit zwei Jahren Verspätung und nach zehn Jahren Planungs- und Bauzeit ging letzte Woche die Thüringer Strombrücke in Betrieb. Bei der bayerischen Wirtschaft sorgt das aber nur für verhaltene Freude. Denn die Sorgen sind angesichts des nur schleppend vorangehenden Netzausbaus groß. Da 2022 das letzte bayerische Kernkraftwerk abgeschaltet werden soll, ist der Freistaat in Zukunft dauerhaft auf Stromimporte angewiesen. Für diese sind aber ausreichende Netzkapazitäten notwendig.
Verzögerungen beim Netzausbau lassen Strompreis weiter steigen
In Bayern mangelt es aber dafür noch an Leitungen: „Mit dem dringend notwendigen Netzausbau für die Energiewende hat Bayern noch gar nicht angefangen“, meint Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK). Hinzu komme, dass die zwei dringend benötigten Gleichstromleitungen SüdLink und SüdostLink erst frühestens 2025 fertig sein sollen. Weitere Verzögerungen seien zudem zu befürchten, so Driessen. „Damit sind für die Netzbetreiber schon jetzt hohe Ausgaben für das Engpassmanagement absehbar, die auf die Industrie und die privaten Haushalte durchschlagen werden“, so Driessen weiter. Steigende Strompreise aufgrund der Eingriffe in das Stromnetz wären also die Folge.
Laut Bundesnetzagentur könnten sich die jährlichen Kosten für die als Netzsicherheitsmaßnahmen bezeichneten Eingriffe bis 2023 von einer Milliarde Euro auf vier Milliarden Euro vervierfachen. „Der Netzausbau ist die Achillesferse der Energiewende. Politik und Netzbetreiber müssen schnellstmöglich handeln“, fordert deshalb der BIHK-Chef.
Ausbau unverzichtbar für Bayern
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) schließt sich diesen Forderungen an. So betont auch vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt, dass der Ausbau des Stromnetzwerkes weiter fortgesetzt werden muss. „Mit der Stilllegung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld sind rund 1300 MW Leistung weggefallen. Weitere 4000 MW Kernenergieleistung werden bis 2022 in Bayern vom Netz gehen. Deshalb muss der weitere Ausbau des Stromnetzes mit Hochdruck fortgesetzt werden“, so Brossardt. Den weiteren Ausbau des Stromnetzes sieht er für Bayern als unverzichtbar an: „Der Ausstieg aus der Kernenergie und der Ausbau der Erneuerbaren Energien führen zu gewaltigem Transportbedarf, den unser heutiges Netz auf Dauer nicht leisten kann.“
Zwar hat der Chef der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, erst diese Woche erklärt, dass bis 2030 von ausreichend Erzeugungsleistung ausgegangen werden kann. Allerdings nur mit extremer Belastung der Leitungen. Die dadurch stark wachsende Zahl von Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen ist jedoch nicht nur mit gewaltigen Kosten verbunden, sondern auch mit Risiken für die Netzstabilität.
Kosten für Stromengpässe lassen sich senken
Doch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) begegnet dieser Entwicklung bereits. Die Kosten für das Management von Engpässen im Stromnetz lassen sich um mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr senken, gab das BMWi vor Kurzem bekannt. Um günstiger als bisher Engpässe im deutschen Stromnetz zu vermeiden und die Systemstabilität sicherzustellen, soll hierzu die Auslastung der bestehenden Leitungen erhöht werden.
Eine Arbeitsgruppe des BMWi hat ergänzend zum Netzausbau sieben Maßnahmen entwickelt, die die volkswirtschaftlichen Kosten senken und die Auslastung der Stromnetze kurzfristig erhöhen können. Dazu gehören zum Beispiel ein optimiertes Netzmonitoring und die bauliche Verstärkung von fünf Abschnitten im Übertragungsnetz, vor allem durch Zu- und Umbeseilungen. Empfohlen wird auch die Entwicklung von Grundlagen für eine bessere Zusammenarbeit von unterschiedlichen Netzbetreibern beim sogenannten Redispatch, also dem Eingriff in den Betrieb von Energieerzeugungsanlagen zur Netzentlastung. Die Maßnahmen sollen bis 2023 umgesetzt sein.
Denn um drohende Kostenanstiege für den Redispatch zu verringern, ist es dringend erforderlich, dass das bestehende Netz höher belastet werden kann. Bereits die technische Modernisierung von fünf bestehenden Streckenabschnitten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg könnte nach Einschätzung der Übertragungsnetzbetreiber die Kosten für Netzengpassbewirtschaftung jährlich um etwa 180 Millionen Euro reduzieren. Das entspricht rund 20 Prozent der Gesamtkosten für den Redispatch. Weitere Kosten lassen sich einsparen, wenn Redispatch-Prozesse optimiert werden.
Zur Arbeitsgruppe gehörten Verteil- und Übertragungsnetzbetreiber, die Bundesnetzagentur, Verbände, Technologiehersteller und weitere Experten. Ziel war es, kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zu entwickeln, die zu einer besseren Auslastung der Bestandsnetze führen und so die Kosten für den Umbau des Energiesystems reduzieren.