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Trotz Russland-Krise: Deutscher Mittelstand mit Rekordgeschäftslage

Deutschlands Mittelständler machen derzeit hervorragende Geschäfte: 56 Prozent der Mittelständler sind mit der Geschäftslage rundum zufrieden – zu Jahresbeginn lag der Anteil bei 53 Prozent. Weitere 32 Prozent bezeichnen die eigene Lage immerhin noch als „eher positiv“ (Januar: 38 Prozent).

Trotz der zunehmenden geopolitischen Spannungen und Rückgänge im Russlandgeschäft hat die Geschäftslage damit ein Rekordniveau erreicht: In keinem EY-Mittelstandsbarometer wurde je ein höherer Zufriedenheitswert gemessen. Die Studie wird seit elf Jahren durchgeführt.

Allerdings könnte der konjunkturelle Höhepunkt bereits überschritten sein, zumindest hat sich der Ausblick der Mittelständler deutlich eingetrübt: So rechnen nur noch 31 Prozent der Unternehmen mit einer Verbesserung ihrer Geschäftslage – zu Jahresbeginn waren es noch 42 Prozent. Und der Anteil der Mittelständler, die ihre Gesamtinvestitionen erhöhen wollen, sinkt von 29 Prozent zu Jahresbeginn auf aktuell 21 Prozent. Zudem lässt die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt nach: Die Zahl der Unternehmen, die zusätzliche Mitarbeiter einstellen wollen, sinkt im Vergleich zum Jahresbeginn von 28 auf 26 Prozent. Aktuell wollen 13 Prozent der Unternehmen ihre Belegschaft reduzieren – zu Jahresbeginn waren es nur 9 Prozent.

Angesichts der unsicheren Konjunkturaussichten haben die Unternehmen ihre Umsatzprognosen für 2014 leicht nach unten korrigiert: von durchschnittlich 1,5 Prozent zu Jahresbeginn auf aktuell 1,3 Prozent. Jeder neunte Mittelständler rechnet für das laufende Jahr mit sinkenden Umsätzen – zu Jahresbeginn waren es nur 7 Prozent.

Das sind Ergebnisse des aktuellen Mittelstandsbarometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Die Studie wird halbjährlich durchgeführt. Ihr liegt eine Umfrage unter 700 mittelständischen Unternehmen in Deutschland zugrunde, die in der zweiten Julihälfte 2014 durchgeführt wurde.

„Die Lage im deutschen Mittelstand ist noch immer gut – die Stimmung aber längst nicht mehr“, fasst Peter Englisch, Partner bei EY, die Ergebnisse zusammen. „Es herrscht große Unsicherheit, vor allem in Bezug auf die weitere Entwicklung des Konflikts mit Russland. Das kostet Vertrauen und bremst Investitionen. Der Gegenwind nimmt eindeutig zu.“

Jedes fünfte Industrieunternehmen mit Einbußen wegen Ukraine-Krise

Tatsächlich hat die Ukraine-Krise bereits Spuren in den Bilanzen vieler mittelständischer Unternehmen hinterlassen: 22 Prozent der Industrieunternehmen und 19 Prozent der Handelsunternehmen geben an, negative Auswirkungen der aktuellen Spannungen mit Russland auf das eigene Geschäft zu spüren. Deutlich weniger stark sind Dienstleister betroffen, von denen nur 9 Prozent negative Auswirkungen sehen.

Für jedes sechste mittelständische Unternehmen in Deutschland stellen die aktuellen geopolitischen Spannungen nach eigenen Angaben eine große Gefahr für die eigene Geschäftsentwicklung dar. Die große Betroffenheit deutscher Mittelständler erklärt sich aus dem hohen Internationalisierungsgrad der Unternehmen und ihrer starken Präsenz im Osten Europas: So ist jeder sechste Mittelständler in Russland tätig, jeder zehnte ist in der Ukraine aktiv. Besonders Industrieunternehmen haben sich in den vergangenen Jahren diesen beiden Ländern zugewandt: Von ihnen machen sogar 27 Prozent Geschäfte in Russland, 17 Prozent sind in der Ukraine tätig.

Die in Russland und der Ukraine engagierten Unternehmen berichten teilweise von deutlichen Einbußen in der Geschäftsentwicklung vor Ort: So wird die Lage im Russlandgeschäft von 23 Prozent der Unternehmen negativ bewertet – 5 Prozent bezeichnen sie sogar als sehr negativ. Dem stehen insgesamt 22 Prozent der dort tätigen Unternehmen gegenüber, die mit der Geschäftslage überwiegend zufrieden sind. Deutlich negativer fällt die Bewertung der Situation in der Ukraine aus: Nur 8 Prozent der dort tätigen Mittelständler sind mit der Geschäftsentwicklung vor Ort zufrieden, 43 Prozent hingegen bezeichnen sie als schlecht.

Negative Folgen für die deutsche Wirtschaft

Zudem droht die aktuelle Zuspitzung der Krise auch Unternehmen zu beeinträchtigen, die nicht vor Ort engagiert sind. Peter Englisch: „Niemand kann sicher vorhersehen, wie sich diese Krise weiterentwickelt. Potenziell können die Folgen bei einer Ausweitung der Kampfhandlungen und einer weiteren Verschärfung von Sanktionen und Gegensanktionen verheerend sein. Denn dann würden weitere Branchen und ein deutlich größerer Kreis von Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen werden.“

Der bewaffnete Konflikt in der Ukraine und vor allem die Sanktionen gegen Russland dürften das Wachstum der deutschen Wirtschaft in jedem Fall spürbar dämpfen, erwartet Englisch: „Der Ukraine-Effekt wird im laufenden dritten Quartal deutlich stärker als in der ersten Jahreshälfte zu spüren sein. Neuinvestitionen werden derzeit auf Eis gelegt, bis sich die Situation klärt.“

Andererseits betont Englisch, dass die stabile Binnenkonjunktur und das starke Wachstum in anderen ausländischen Märkten die negativen Auswirkungen der Ukraine-Krise bislang zumeist mehr als ausgleichen konnten. So verzeichnen die deutschen Mittelständler vor allem in Indonesien, Südkorea und China derzeit steigende Umsätze. Und auch in den Nachbarländern Polen, Österreich und in der Schweiz laufen die Geschäfte überdurchschnittlich gut.

Drei Viertel der Unternehmen kämpfen mit Fachkräftemangel

Am Heimatstandort stehen die deutschen Mittelständler allerdings vor erheblichen Herausforderungen. Vor allem die Energiepreise entwickeln sich zum Problem für die Betriebe: Jeder dritte Unternehmer bezeichnet die hohen Energiekosten am Standort Deutschland als mittelgroße Gefahr für das eigene Unternehmen, weitere 11 Prozent sogar als sehr große Gefahr.

Und auch der Fachkräftemangel bereitet den Unternehmen große Sorgen: 75 Prozent der Unternehmen finden nicht ausreichend geeignete Mitarbeiter, um frei werdende oder neue Stellen zu besetzen. Gesucht werden in erster Linie Mitarbeiter im technischen Bereich bzw. in der Produktion sowie Vertriebsspezialisten.

Der Fachkräftemangel schlägt sich auch in den Büchern der Mittelständler nieder: Jeder zweite Mittelständler gibt an, dass unbesetzte Stellen im eigenen Unternehmen zu realen Umsatzeinbußen führen – vor einem Jahr lag der Anteil allerdings mit 64 Prozent noch deutlich höher.

Die gesunkene Brisanz des Fachkräftemangels erklärt Englisch vor allem mit der zuletzt stark gestiegenen Zuwanderung nach Deutschland: „In den vergangenen Jahren kamen zahlreiche Fachkräfte aus den krisengebeutelten Ländern Südeuropas sowie aus Südosteuropa nach Deutschland, wodurch sich die Lage offenbar etwas entspannt hat.“

Das Problem mag durch die Zuwanderung vorübergehend entschärft worden sein – gelöst sei es aber keineswegs, betont Englisch. Und ungeachtet der leichten Entspannung führt der Fachkräftemangel zu erheblichen Einbußen: Im laufenden Jahr entgehen dem deutschen Mittelstand aufgrund des Mangels an Fachkräften hochgerechnet Umsätze von insgesamt 28,3 Milliarden Euro.

„Der Fachkräftemangel ist mittelfristig eine der entscheidenden Herausforderungen für den Mittelstand in Deutschland und wird in den kommenden Jahren schon aufgrund der demografischen Entwicklung wieder deutlich an Brisanz gewinnen. Insbesondere kleinere Unternehmen und Mittelständler, deren Produkte in der breiten Bevölkerung wenig bekannt sind, werden es immer schwerer haben, qualifizierte Mitarbeiter zu finden“, gibt Englisch zu bedenken.

Allerdings können die Mittelständler durchaus erfolgreiche Strategien entwickeln, um für die Fachkräfte von heute und morgen attraktiv zu sein. So bietet bereits heute deutlich mehr als die Hälfte der Unternehmen (57 Prozent) den Mitarbeitern Fortbildungen an, 44 Prozent unterstützen ältere Mitarbeiter bei ihrer Arbeitsgestaltung. Eine gezielte Ansprache von Frauen und älteren Personen verfolgen bei der Rekrutierung 26 Prozent der befragten Unternehmen.

Und auch außerhalb Deutschlands suchen die Unternehmen nach neuen Mitarbeitern, allerdings in deutlich geringerem Ausmaß als noch vor einem Jahr: Aktuell gehen 15 Prozent der Mittelständler auf Fachkräfte im Ausland zu, vor einem Jahr waren es noch 31 Prozent – ebenfalls ein Indiz dafür, dass das Problem als weniger drängend wahrgenommen wird.

Hier geht es zum aktuellen Ernst&Young Mittelstandsbarometer August 2014

Bildnachweis: Rainer Sturm, pixelio.de

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