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TTIP: Wie hoch ist der Preis?

Wer die Berichterstattung zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA – kurz TTIP – kontinuierlich verfolgt, kann leicht den Eindruck bekommen, dass zurzeit niemand so ganz genau weiß, ob und wie es genau weitergehen soll mit den schwierigen bilateralen Verhandlungen. Laut Bayerischem Industrie- und Handelskammmertag (BIHK) stellt sich „die bayerische Wirtschaft hinter TTIP“, denn „der US-Markt ist der wichtigste Auslandsmarkt für die Wirtschaft im Freistaat“, so kürzlich BIHK-Präsident Eberhard Sasse. Doch er schränkt gleichzeitig auch ein: „Einen Schnellschuss mit einem ‚TTIP Light‘ darf es nicht geben“. Auf breite politische Meinungsbildung setzt Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die soeben zur Podiumsdiskussion „TTIP – Chancen und Herausforderungen“ einlud und so einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten möchte. Ganz auf Konfrontationskurs hingegen gehen SPD und Freie Wähler: sie fordern eine Volksabstimmung über TTIP und sammeln bereits Unterschriften. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, deshalb muss sich die Staatsregierung bei den dubiosen Freihandelsabkommen im Sinne der Bürger und nicht im Sinne der Lobbyisten entscheiden. Die Bürger in Bayern müssen in einer Volksbefragung gefragt werden, ob sie für oder gegen TTIP, CETA und TiSA sind. Es ist inakzeptabel, dass die Staatsregierung im Bundesrat für etwas stimmt, was die Bevölkerung aus guten Gründen mehrheitlich ablehnt“, betont Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger und auch die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag schlägt in die gleiche Kerbe: „Die derzeit vorliegende Fassung des Freihandelsabkommens CETA ist in wesentlichen Punkten nicht akzeptabel“, heißt es in einem SPD-Papier, das sich durchgängig und demonstrativ gegen die bundespolitische Linie Sigmar Gabriels stellt. CETA – das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada – ist zwar nur der „kleine Bruder“ von TTIP, wird aber von Experten als Blaupause für weitere Abkommen mit Nordamerika gesehen.

BVMW-Befragung zeichnet ein kritisches Bild

Gerade erst veröffentlicht wurde auch eine Mitgliederbefragung des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), die gemeinsam mit der Schöpflin-Stiftung unter 800 Unternehmern in Deutschland von Prognos durchgeführt wurde. Die Ergebnisse sind alarmierend: 62 Prozent der befragten Unternehmen erwarten „eher negative“ oder „negative“ Auswirkungen durch das Freihandelsabkommen. Der deutsche Mittelstand erhofft sich demnach insgesamt kaum positive Auswirkungen auf das Geschäft und mahnt insgesamt deutlich mehr Transparenz bei der Ausgestaltung der Verhandlungen und der späteren Handhabungspraxis an. Eine Sonderauswertung für Bayern führt zwar in Teilen zu etwas positiveren Ergebnissen: Über alle Branchen erwarten hinweg rund 60 Prozent der Befragten positive oder neutrale Auswirkungen durch das TTIP-Abkommen. Aber auch Bayerns Unternehmer fordern vor allem eines: mehr Transparenz.

Bayerische Unternehmer äußern klare Bedenken

Einzelne Stimmen bayerischer Unternehmer zeichnen ein noch deutlicheres Bild. „Unsere deutschen und weltweiten Datenschutzstandards sind ein weltweit anerkanntes Qualitätskriterium geworden, klar zum Nachteil amerikanischer Anbieter, für die Safe Harbour letztlich auch keine Lösung war. Hätte das EuGH-Urteil nicht am Ende noch milliardenschwere Schadensersatzforderungen US-amerikanischer IT-Unternehmen ermöglicht?“ fragt beispielsweise Sebastian v. Bomhard, Vorstand des Münchner Internetproviders Spacenet AG in einem Artikel im Münchner Merkur. Und Dr. Heiner Pollert, Geschäftsführer der auf Innovationsmanagement spezialisierten Patentpool GmbH, setzt im selben Artikel nach: „Um große Nachteile für die europäische Wirtschaft zu vermeiden, muss die EU weiterhin die Position des Europäischen Patentamts aufrechterhalten und Trivialpatente verhindern. TTIP ermöglicht sonst US-Konzernen Eingriffe in unsere Wirtschaftsordnung, wie sie bisher undenkbar waren. Dass die NSA uns zugunsten der US-Wirtschaft ausspioniert, ist ein riesiger Wettbewerbsnachteil für Europa, aber das haben wir schon hingenommen. Das aber gerade im Softwarebereich erteilte Trivialpatente uns verbieten könnten, zum Beispiel Tabellen oder einen Doppelklick zu nutzen, ist absurd.“

Ja zu TTIP, aber nicht um jeden Preis

Albert Duin, Landesvorsitzender der FDP Bayern und selbst erfolgreicher Unternehmer, will das Abkommen nicht kippen, sondern mittelstandsfreundlicher gestalten: „Der Abbau von Handelshemmnissen durch das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP bietet große Chancen, gerade für die mittelständische Wirtschaft. Bei den Verhandlungen ist auf Transparenz und eine mittelstandsfreundliche Ausgestaltung des Abkommens zu achten. Wir wollen TTIP verbessern, nicht verhindern.“

Weitere Verhandlungen mit der Aussicht eines für alle Seiten tragfähigen Kompromisses scheint auch das wahrscheinlichste aller Szenarien zu sein, denn die von den Freien Wählern und der SPD geforderte Volksabstimmung muss schon daran scheitern, dass TTIP ein Thema des Bundes ist und damit nicht den verfassungsmäßig festgelegten Kriterien für eine Volksbefragung in Bayern entspricht. Und der Bund hält klar an TTIP fest. Auch BVMW-Präsident Mario Ohoven fand bei der Vorstellung der Studienergebnisse zwar grundsätzlich konstruktive Worte, fügt aber inzwischen ebenfalls eine klare Einschränkung hinzu: „Wir stehen zu TTIP, aber nicht um jeden Preis“. Um Schaden für Europas Mittelstand abzuwenden, müsse eindeutig nachgebessert werden – beim Investor-Staats-Schiedsverfahren, den Regulierungsprinzipien und beim Regulationsrat.

Am Ende mag dem Abkommen jedoch ein ganz andere Realität zum Verhängnis werden. Mit dem Einstieg der USA in den Präsidentschaftswahlkampf dreht sich zunehmend die Stimmung im Land und der lange gegenüber Europa ausgeübte Einigungsdruck wird zunehmend schwächer. Am Ende, so sagen manche Ökonomen, braucht Europa den durch TTIP erhofften Wachstumsschub viel dringender als die USA.

Ihr

Achim von Michel
Herausgeber, mittelstandinbayern.de

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