Johann Bertl, Vom korporativen zum marktwirtschaftlichen Denken. Der Mittelstand in der Bayerischen Wirtschaftspolitik 1947-1974, Kallmünz 2014.
Das Buch zeigt, wie die bayerische Wirtschaftspolitik versucht hat, das korporative, sprich protektionistisch-zunftartige Denken des Mittelstandes, der sich von der Industrie bedroht sah, zu überwinden. Neue legitimierende Deutungen und Entwicklungsstrategien sowie ein Wandel des Images wurden angestrebt. Dazu diente die katholische Subsidiaritätslehre genauso wie eine demokratische Komponente im Sinne von Diversifizierung wirtschaftlicher Macht. Zudem wurden Argumente wie Krisenresistenz, Innovationskraft und Entwicklungschancen auch in ländlichen Räumen durch die Vielfalt von kleineren und mittleren Unternehmen in die Diskussion eingeführt. Das ganze ließ sich so in die Konzepte der Marktwirtschaft und Landesentwicklung passen und mündete schließlich in das Bayerische Mittelstandsförderungsgesetz vom 11. Oktober 1974. Es ist besonders mit dem bayerischen Wirtschaftsminister Anton Jaumann verbunden und wurde zum Vorbild für vergleichbare Gesetze in anderen Ländern und im Bund. Das Gesetz war von Anfang an dem Vorwurf der Symbolpolitik ausgesetzt, hat aber wohl zum Wandel des Images des Mittelstandes beigetragen. Der Mittelstand gilt heute als besonderes Qualitätszeichen der bayerischen und bundesdeutschen Wirtschaft. Der Selbständige, der mittelständische Handwerker und Unternehmer ist wohl auch zu einem Bestandteil bayerischer Identitäten geworden. Das Buch leistet nicht nur einen Beitrag zur Geschichte der Mittelstandspolitik sondern auch zur Ideengeschichte Bayerns im Strukturwandel der Nachkriegsjahrzehnte.
Der Autor Johann Bertl studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Philosophie an der LMU München. Das Buch wurde von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft mit dem Forschungspreis „Soziale Marktwirtschaft“ ausgezeichnet.