Nur mit einem Wandel der Unternehmenskultur funktioniert der Sprung vom eigentümergeführten Kleinbetrieb zum wachstumsfähigen Unternehmen
Viele Unternehmer vollbringen einen gewaltigen Kraftakt beim Aufbau Ihres Unternehmens und spielen selbst alle Rollen auf der Bühne der Arbeitswelt…Erfinder, Entwickler, Verkäufer, PR Mann, Banker, Controller, Personaler, Ordnungsdienst und Pförtner.
Mit ihrer Energie, ihrem Können und Charisma führen sie ihr Unternehmen zum Erfolg. Es folgt der erste Hype und schnelles Wachstum. Das Ensemble wächst, neue Akteure werden unter Vertrag genommen, und die Rollen werden neu verteilt. Der bisherige Hauptaktuer übernimmt die Position des Regisseurs. Nachdem er bisher alle Rollen selbst spielte, hat er eine sehr genaue Vorstellung, wie die Interpretation jeder einzelnen Rolle auszusehen hat und macht den neuen Akteuren entsprechend genaue Vorgaben.
Was folgt ist Alltag in vielen mittelständischen Unternehmen: mäßig motivierte Mitarbeiter, die keine Entscheidungsbefugnis und Gestaltungsspielraum haben, stagnierendes Wachstum, Verlust des Momentums sowie der anfänglichen Dynamik und Kreativität.
Angesichts der schleichenden Erschlaffung des ganzen Teams geht dem Supermann allmählich die Kraft aus, er geht unter in einer Flut von Qualitätsproblemen im operativen Bereich, Schlendrian in der Organisation und eine mittelmäßige Präsentation des Unternehmens nach außen. Er möchte am liebsten überall gleichzeitig anschieben, schafft es aber nicht mehr. Der Lebenszyklus des Unternehmens neigt sich dem Ende zu.
Es gibt noch einige Patriarchen der Alten Schule, die über ein schier unerschöpfliches Reservoir an Energie zu verfügen scheinen. Ihnen gelingt es, den Verlust von wichtigen Mitarbeitern immer wieder durch verstärkten persönlichen Einsatz aufzufangen, wieder neue Kräfte ins Boot zu holen, den Rest der Mannschaft mitzuziehen und mit purer Willenskraft, das Unternehmen immer weiter voranzutreiben. Doch auch hier sind natürliche Grenzen gesetzt. Spätestens wenn die Leitfigur aus Altersgründen zurückstecken muss, stellt sich das Problem der Nachfolgeregelung. Nach Schätzungen des IfM Bonn steht für den Zeitraum von 2010 bis 2014 insgesamt in knapp 110.000 Familienunternehmen in Deutschland die Übergabe an (das entspricht ca. 3% aller Familienunternehmen) .
Unabhängig vom jeweiligen Szenario ist es für den Fortbestand des Betriebs entscheidend, dass ein Wandel in der Unternehmenskultur stattfindet. Die Impulse, die Dynamik und die Kreativität, die erforderlich sind, um den Betrieb auf die nächsthöhere Ebene zu bringen muss nun aus dem Kreis der Mitarbeiter kommen.
Der Lebenszyklus eines Unternehmens dargestellt anhand der Sigmoid Kurve
Die Kurve von Sigmoid wird oft verwendet um den Lebenszyklus von Unternehmen darzustellen. Darin wird deutlich, dass das Wachstum irgendwann an seine Grenzen stößt und es zum Untergang des Unternehmens kommt und lediglich die Höhe des Wachstums und die Dauer variabel sind. Die Kurve kann aber verlängert werden, wenn man noch vor dem Höhepunkt – der auch Wendepunkt zum Untergang ist – eine neue Kurve beginnt. Darin besteht aber genau die Herausforderung: eine Veränderung und neuen Weg anzustoßen, obgleich man kurz vor seinem größten Erfolg steht. Es ist entscheidend für das Überleben des Unternehmens, den richtigen Zeitpunkt für eine solche Kursänderung nicht zu verpassen.
Kernkompetenzen und Entscheidungsfähigkeit müssen sukzessive in die Organisation verlagert werden. Es erfolgt ein Übergang von der klassisch pyramidenförmigen Hierarchie, bei der alle Informationen und meist auch die Entscheidungen nach oben weitergereicht werden und von dort Weisungen zurückkommen, zu einem Führungsstil des Coachings. Der Unternehmer bleibt der Mann an der Spitze, aber mehr in einer Rolle als Moderator, Schiedsrichter, Motivator und Sprecher. Wichtige Entscheidungen werden im Team getroffen und auch von allen getragen. Seine Aufgabe ist es dann die Umsetzung der getroffenen Entscheidungen sicherzustellen: „Demokratische Entscheidungsfindung, aber totalitäre Umsetzung und Durchsetzung sobald sie getroffen sind.“
Vielen Unternehmern fällt es schwer von ihrer bisherigen Überlebensstrategie loszulassen, in der sie..
a) allein über das gesamte Know-How verfügen, das den Erfolg des Unternehmens ausmacht.
Dieser Denkansatz war vielleicht noch vor 50 Jahren erfolgversprechend, als man einen Know-How-Vorsprung längerfristig nutzen konnte, ist heute aber angesichts der rasenden Technologiesprünge und der freien Verfügbarkeit imensen Wissens im WorlwideWeb fast zu vernachlässigen. Nur im Team mit Aufgabenteilung und Spezialisierung mit einer „lernenden Organisation“ ist die Flut an Informationen und Neuerungen noch zu bewältigen.
Zum anderen wäre eine solcher Protektionismus sehr kurzsichtig, denn wenn einem einzigen Know-how -Träger etwas zustößt, ist auch die Firma dem Untergang geweiht.
b) alle Kernkompetenzen auf sich vereinen.
Es gibt zwar Spezialisten in den einzelnen Bereichen, aber wenn einer davon das Unternehmen verlässt, ist der Unternehmenseigentümer in der Lage als Springer oder „Backup“ zu fungieren, solange bis ein Nachfolger gefunden und eingearbeitet ist.
Dies ist eine Strategie, die bei kleineren Betrieben tatsächlich oft sinnvoll ist. Spätestens wenn ein Restaurantbesitzer seinem Chefkoch mehr zahlen muss als ihm selbst am Monatsende übrig bleibt, merkt er, dass ihm eine entscheidende Kernkompetenz fehlt. Mit wachsender Betriebsgröße ist es jedoch schlichtweg nicht mehr möglich alle Kernkompetenzen als Einzelperson zu besitzen.
Die Herausforderung für den Betriebsinhaber ist es, sein Team so aufzubauen, dass es die Motivation, die Fähigkeiten und die Entscheidungskraft hat, dass Unternehmen auf dem sich immer schneller drehenden Karussell aus Innovationen und Marktreaktionen zu halten. Dies benötigt Zeit und ein gutes Konzept. Es gibt einige Ansätze die die wesentlichen Komponenten beinhalten: a) klare Zielsetzungen b) Schaffung von Vertrauen durch Transparenz und c) weitgehende Selbstorganisation der Mitarbeiter durch Entscheidungsdelegation . Einer der wohl umfassensten Ansätze ist das Modell der High Performance Organisation von Michael J. Wriston 2007.
Er unterscheidet vier wesentliche Faktoren auf dem Weg zu dieser Hochleistungsorganisation:
Die vier Dimensionen einer Hochleistungskultur
1. Fokus
Ist die Fähigkeit unsere beschränkten Ressourcen auf Prioritäten zu konzentrieren. Aufgabe der Unternehmensführung ist es, diese für die Organisation zu definieren. Dazu gehört auch die Identifizierung der Erfolgsfaktoren zur Erreichung dieser Zielsetzungen. Maßnahmen: Entwicklung von Mision, Vision, Strategien und Zielen z.B. mit Hilfe der Pyramide von R.Dilts; Balanced Scorecard
2. Kultur der Verantwortlichkeit
Die Erwartungen in Leistung und Verhalten eines jeden Einzelnen sind klar definiert. Überragende Leistungen werden anerkannt, gefördert und belohnt. Probleme und Nichterreichung müssen rasch und bestimmt angegangen werden.
Maßnahmen: Stellenbeschreibungen, Zielvereinbarungen, Mitarbeitergespräche
3. Teamgeist
Die Mitarbeiter müssen das Gefühl haben, dass ihre Meinung und Ideen willkommen sind und sich damit zugleich verpflichtet fühlen mitzudenken und mit vollem Einsatz am Erfolg des Unternehmens mitzuwirken. Jeder Einzelne fühlt die Notwendigkeit, Dinge in seinem Bereich eigenverantwortlich voranzutreiben. Ziel ist der langfristige Aufbau einer Atmosphäre von Vertrauen und Respekt:“ wenn wir von innen her stark sind, können wir jedes externe Problem meistern und es in eine Chance verwandeln“.
Maßnahmen: Teambuilding, Betriebliches Vorschlagswesen, Regeln zum Umgang miteinander
4. Effiziente Betriebsabläufe
Diese werden ständig unter Beteiligung aller Betroffenen überarbeitet, verbessert und auf diese Weise auch von allen akzeptiert und befolgt.
Maßnahmen: Prozessanalysen, Geschäftsprozessoptimierung, KVP
Diese vier Dimensionen der Hochleistungskultur korrelieren miteinander und können für sich alleine nicht zum Erfolg führen.
Wichtig ist das Verständnis, dass die Umsetzung dieser Unternehmenskultur nicht mit einem 2 Tages Workshop der Führungsriege erledigt ist. Sie kann nur langfristigen Erfolg haben, wenn sie auch wirklich von der Unternehmensführung gelebt und jeden Tag konsequent vorexerziert wird, bis dieser Wandel zu allen Mitarbeitern durchgedrungen ist und die Organisationstruktur von Elementen bereinigt ist, die ihm im Wege stehen.
Über den Autor:
Dr. Rudolf Hamberger ist Geschäftsführer von Breitenstein Consulting in München, www.breitenstein-consulting.de