Um diese Frage nach der Zukunft wird derzeit in Deutschland gerungen, wie vielleicht seit den späten siebziger Jahren nicht mehr. Nun hat sich die Union also festgelegt: Armin Laschet soll es sein, der das Land zurück in die Normalität führt. Diese Entscheidung muss man sogar dann richtig finden, wenn man mit der Personenwahl nicht einmal im Ansatz einverstanden ist. Denn nicht nur kann sich die letzte verbliebene Volkspartei nicht von ihrer kleineren Schwester eine unabgesprochene Konkurrenz unter dem gemeinsamen Dach gefallen lassen. Sie kann sich vor allem von eben jener auch nicht den Prozess der Kandidatenkür vorschreiben lassen. Schon um des Markenkerns der CDU willen, der sich als konservativ, ein Stück weit auch behäbig und vor allem mit einer sehr breiten Basis von mehr als 400.000 Mitgliedern ausgestattet beschreiben lässt, durfte sie sich das bisher bewährte Heft des Handelns um keinen Preis aus der Hand reißen lassen. Die CDU ist nun einmal keine Zeitgeist-Partei, und hat damit meiner Meinung nach auch den richtigeren der beiden Kandidaten gefunden. Warum Polit-Schwergewicht Markus Söder diesen Coup nicht sorgfältiger, langfristiger und vor allem innerparteilich verträglicher eingefädelt hat, bleibt wohl sein Geheimnis. Vielleicht war es ja erstmal nur ein großer Testballon zur Sondierung der Großwetterlage in einer Zeit, in der persönliche Begegnungen selten geworden sind und Stimmungsbilder in Bierzelten vollends ausfallen. In diesem Fall müsste man bald mit einem Comeback rechnen.
Notbremse mit Kompromiss-Auslöser
Auch bei der Pandemiebekämpfung ist jetzt fürs Erste geklärt, was derzeit das Beste fürs Land sein soll: Eine „Bundesnotbremse“, mit der die länderspezifischen Herangehensweisen an das Infektionsgeschehen grundlegend harmonisiert werden sollen. Auch dies ist ein spätes Ende eines Machtkampfes, dessen Sinnhaftigkeit fragwürdig bleibt. Was nun gut für das Land daran sein soll, dass Ehepaare nach 22 Uhr nicht mehr gemeinsam spazieren gehen dürfen, oder dass ein komplett unbegründbarer Inzidenzwert von ausgerechnet 165 jetzt das Schul-Geschehen regelt, erschließt sich nicht einmal führenden Politikern in den einschlägigen Talkrunden. Und wenn man den meisten Experten – also vielen Virologen, Epidemiologen und Notfall-Medizinern – glaubt, so sind die Grenzwerte ohnehin vollkommen falsch gewählt. Konsequente Niedriginzidenz ist seit vielen Monaten schon das Credo der „No Covid“-Expertengruppe; umfangreiches und ständiges Testen ist die wichtigste Waffe im inzwischen beendeten Tübinger Modellprojekt, das zumindest innerstädtisch beachtliche Erfolge vorweisen konnte. Und was ist nun diesmal das Beste fürs Land? Wenn ich mit der Brille eines Unternehmers darauf blicke: Diejenige Strategie, die bei vertretbaren Kosten mit größter Wahrscheinlichkeit den höchsten und langfristigsten Effekt erzielt. Die gegenwärtige Corona-Strategie der Bundesregierung wird aber nur aufgehen, wenn erstens Impfstoffe jetzt tatsächlich sehr rasch massenhaft verfügbar sind und auch in großen Teilen der Bevölkerung ankommen, zweitens genügend Menschen sich auch impfen lassen, und drittens keine neuen Virus-Bedrohungen die Wirksamkeit des ganzen Prozesses in Frage stellen.
Strategie ohne Rückfallplan
Das sind viele „wenn“, und unsere einzige Backup-Lösung zum Exit durch Impfen ist derzeit ein Verharren in Infektionsschranken, die ein freieres Leben allenfalls für einige Wochen ermöglichen, bevor die steigende Virus-Ausbreitung den nächsten Lockdown erzwingt. Wäre ich als Unternehmer gefragt, würde ich unbedingt auch an einer guten Rückfall-Position arbeiten. Herangehensweisen wie die „No Covid“-Strategie oder das Tübinger Modell zeigen, dass es sinnvolle Alternativen gibt. Schon für den gesellschaftlichen Zusammenhalt brauchen wir eine mehrstufige Herangehensweise, denn spätestens im Sommer werden viele harte Corona-Maßnahmen einfach nicht mehr durchsetzbar sein – von den immer weiter steigenden wirtschaftlichen Kosten und sozialen Auswirkungen einer „Lockdown by Lockdown“-Strategie ganz zu schweigen. Meiner Meinung nach wurde mit der „Bundesnotbremse“ eine große Chance vertan, diejenige Strategie zu wählen, die wirklich das Beste für das Land ist: Möglichst viele Zonen mit dauerhaft sehr geringem Inzidenzgeschehen.
Spätestens im Herbst, nach dem Ende des sicher härtesten und am meisten polarisierenden Wahlkampfs, den Deutschland je gesehen hat, werden wir wissen, was nach Ansicht der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Zukunft das Beste für das Land ist. Dass die größte Volkswirtschaft Europas inzwischen ein „Sanierungsfall ist“, wie manche Zeitungen schon herbeischreiben wollen, glaube ich persönlich nicht. Aber eine mehrjährige Gruppentherapie wird die Gesellschaft danach allemal nötig haben, um wieder zueinander zu finden.
Bleiben Sie gesund!
Ihr
Achim von Michel