Mittelstand in Bayern
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Wenn der Mittelstand die Koffer packt

Die Situation für Unternehmen in Deutschland sah schon mal besser aus. So mancher Unternehmer denkt daher über einen Standortwechsel ins Ausland nach. Ist die Abwanderung ins Ausland grundsätzlich eine gute Idee, und gibt es Risiken zu beachten? 

 

Fehlende Unterstützung für den Mittelstand 

Die deutsche Wirtschaft strauchelt, das Wachstum stagniert. Für Unternehmen sind die Zeiten nicht leicht. Sie sind einerseits dazu angehalten klimafreundlich zu produzieren, andererseits ist dies ohne günstigen Industriestrompreis auf lange Sicht nicht rentabel. Auch der Fachkräftemangel macht sich mittlerweile in sämtlichen Branchen bemerkbar, qualifizierte Mitarbeiter zu finden wird für viele Mittelständler zunehmend zur Herausforderung. Innovationen und Investitionen werden von der Politik zwar befürwortet, die geeigneten Rahmenbedingungen aber nicht geschaffen. So ist Deutschland Spitzenreiter was lähmende Bürokratie angeht und bleibt bei der Digitalisierung weit hinter anderen Staaten zurück. Bei größeren Förderprojekten werden meist nur große Unternehmen berücksichtigt, obwohl kleine und mittlere Betriebe einer Förderung noch viel mehr bräuchten. Die Steuerlast empfinden die meisten Unternehmer als nicht angemessen. Die Ampelregierung kündigte zwar „Superabschreibungen“ für Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz an, aber umgesetzt hat sie dieses Vorhaben bisher nicht. Viele Unternehmer fühlen sich mittlerweile von der Politik unverstanden und im Stich gelassen. Ihre Verzweiflung drückte sich kürzlich in einem offenen Brief mehrerer mittelständischer Verbände an die deutsche Bundesregierung aus. Die Verbände fordern darin geschlossen, endlich die Umsetzung konkreter Maßnahmen in Sachen Digitalisierung anzugehen. 

 

Auswanderung als letzte Möglichkeit 

Große Unternehmen wandern bereits seit einiger Zeit ab. So viele Unternehmen wie aktuell haben seit 15 Jahren nicht mehr ihren Standort ins Ausland verlagert. Nun erfasst der Trend auch den Mittelstand. Auch immer mehr kleine und mittlere Unternehmen denken inzwischen über einen Standortwechsel ins Ausland nach. Laut Bundesverband mittelständische Wirtschaft BVMW denkt mittlerweile schon jeder vierte Unternehmer über einen Umzug ins Ausland nach. Die Gründe dafür sind verständlich: Niedrigere Steuern, eine funktionierende digitale Infrastruktur, weniger bürokratische Hürden und billigere Arbeitskräfte. Kurzfristig werden die Folgen einer solchen Abwanderung nicht direkt spürbar werden, auf lange Sicht wird es aber zu einem starken Rückgang des Wohlstands in Deutschland kommen. Mit einem Unternehmen geht schließlich auch dessen Innovationskraft und Wissen – es droht eine Abwärtsspirale. 

 

Was für Deutschland spricht 

Keine Frage, in Deutschland gibt es viel zu tun, um den Standort weiter attraktiv zu halten. Dennoch gibt es entgegen den aktuellen Herausforderungen auch gute Gründe, hier zu bleiben. Gegenüber vor allem nicht-europäischen Standorten bietet Deutschland politische und rechtliche Sicherheit. Deutsche Forschung ist zudem weltweit angesehen, und „Made in Germany“ ist bis heute ein Qualitätsmerkmal. Nach den USA ist Deutschland auch weiterhin größter Exporteur weltweit. Und: Die zentrale Lage innerhalb Europas ist ein sich nicht abnutzender Vorteil.     

Das Gras erscheint auf der anderen Seite meistens grüner, was man jedoch nicht vergessen darf: Andere Länder, andere Probleme. Viele Länder sind Deutschland bei der Digitalisierung voraus, auch die Steuerlast ist meist geringer. Dafür kann es aber in anderen Ländern Probleme geben, die in Deutschland kein Thema sind.  Was einen dort genau erwartet und wie sich die Wirtschaft entwickelt, lässt sich nicht präzise vorhersagen. Auch Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und ein vielleicht ganz anderes Rechtssystem sind nicht zu unterschätzende Barrieren. Wer keine Kontakte zu Einheimischen hat, dem werden Behördengänge zu Beginn vermutlich schwerfallen. Dazu kommt, dass langjährige Mitarbeiter vielleicht nicht mitumziehen werden. Diese zu ersetzen erfordert wieder Aufwand. Langjährige Erfahrung und Loyalität lassen sich eben nicht einfach ersetzen. Hinzu kommt, dass ein Umzug ins Ausland grundsätzlich mit hohen Kosten und großem planerischem Aufwand verbunden ist. 

 

Gehen oder bleiben?   

Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten, denn jedes Unternehmen hat andere Bedürfnisse und Ziele. Wen es ins Ausland zieht, der sollte diese Entscheidung gründlich abwägen und vor allem frühzeitig mit der Planung beginnen. Bedenken sollte man aber auch, dass für den Mittelstand in Deutschland noch Hoffnung besteht.  

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