Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Volksrepublik China und Deutschland, insbesondere mit Bayern, haben sich in den vergangenen Jahren stark intensiviert. In Europa ist Deutschland, und hier vor allem der bayerische Mittelstand, der wichtigste Exportmarkt und das wichtigste Lieferland für China. Laut einer aktuellen Studie der Prognos AG im Auftrag der vbw (Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft) gingen im Jahr 2017 bereits 23 Milliarden Euro an bayerischen Direktinvestitionen (circa 9 Prozent der gesamten Direktinvestitionen) nach China. Vielfach kämpfen deutsche Unternehmen allerdings immer noch mit starken rechtlichen Hindernissen und Benachteiligungen auf dem chinesischen Markt. Gleichzeitig drängen chinesische Investoren massiv in die europäische und deutsche Wirtschaft. Kann noch von einer Verbesserung der Beziehungen und einer Partnerschaft auf Augenhöhe sprechen? Oder versucht China nur seinen Einfluss weiter auszubauen?
Immer noch hohe Hürden
„Das Foreign Investment Law (FIL) hat zwar den Rahmen für ausländische Direktinvestitionen in China verbessert, geht aber an manchen Stellen nicht weit genug, um annährend gleiche Bedingungen zu erreichen. Die Wirkungen sind derzeit noch nicht klar erkennbar. Es bleibt ein legaler Unterschied zwischen ausländischen und chinesischen Unternehmen bestehen“, betont Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw.
Zwar haben sich die Bedingungen für Investitionen europäischer Firmen in China im Laufe der letzten Jahre verbessert, gleichzeitig ist vor dem Hintergrund des technologischen Aufholprozesses der Volksrepublik ein wachsendes Konkurrenzverhältnis in vielen Segmenten zu beobachten. Auch ist man laut der vbw Studie noch weit vom ausgegebenen Ziel eines „level playing fields“, also möglichst ähnliche Zugangsbedingungen zum Markt des jeweiligen Partners, entfernt.
China erhöht Investitionen
Gleichzeitig hat China seine eigenen Direktinvestitionen in Bayern und Deutschland massiv erhöht. Fokus liegt dabei vor allem auf hochtechnologischen Sektoren wie Maschinenbau, Automobilindustrie, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Chemie und Pharma. Als stellvertretende Beispiele stehen hier die Übernahmen von Traditionsunternehmen wie KraussMaffei, Kuka oder dem Automobilzuliefere Grammer durch chinesische Investoren, oder der Erwerb von Anteilen wie bei Daimler (9 Prozent) oder der Deutschen Bank (10 Prozent). Bereits seit einiger Zeit wird dies mit Sorge von Politik und Wirtschaft beobachtet. Forderungen nach mehr Kontrolle und einer Beschränkung des Marktzugangs werden laut. Viele befürchten bereits den Ausverkauf von deutschem Know-how, einen negativen Technologietransfer und den Verlust der Konkurrenzfähigkeit im internationalen Vergleich.
Corona als Chance?
Geht es aber überhaupt noch ohne China? Die Corona-Pandemie zeigt uns momentan, wie weit die Globalisierung vorangeschritten ist, und wie stark gerade der Technologiestandort Bayern von internationalen Zulieferern und Abnehmern abhängt. So bestätigen die neuesten Zahlen des bayerischen Landesamts für Statistik, wie gravierend sich der Zusammenbruch globaler Lieferketten auf den Freistaat auswirkt: So sanken die bayerischen Importe im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat um 28,5 Prozent, die Exporte sogar um 36,8 Prozent. Besonders stark betroffen ist unter anderem der Handel mit den USA: Hier gingen die bayerischen Ausfuhren um 54 Prozent zurück, die Einfuhren um 40 Prozent. Umso erstaunlicher, dass die Importe aus China im Mai bereits wieder um 17,1 Prozent gestiegen sind. Die Exporte gingen zwar auch zurück, allerdings nur um vergleichsweise „milde“ 26,4 Prozent. Sind wir also bereits zu abhängig von China? Und sollten wir versuchen, den Handel mit dem Reich der Mitte nach Corona einzuschränken?
„Wir müssen uns für offene Märkte und wirtschaftliche Gleichbehandlung einsetzen und dafür eintreten, dass die Chancen der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen fair und zukunftsgerichtet realisiert werden. Umso wichtiger ist vor diesem Hintergrund die europäische Ebene: Nur geschlossen hat Europa das erforderliche Gewicht und die Größe, um auf Augenhöhe mit China verhandeln zu können“, so Brossardt.
Auch Achim von Michel, Pressesprecher und Politikbeauftragter des BVMW (Bundesverband mittelständische Wirtschaft) in Bayern, hält einen generellen Ausschluss Chinas vom deutschen Markt nicht für die richtige Lösung. Gegenüber der Augsburger Allgemeinen zieht er andere Möglichkeiten in Betracht: So könnte beispielsweise „ein Gremium wie das Kartellamt prüfen, ob systemkritisches Know-how abwandert“, so von Michel.
Ausblick
Bedingt durch dir Corona-Krise ist die Anzahl der chinesischen Firmenübernahmen in Europa zuletzt zurückgegangen. Experten vermuten allerdings nur vorübergehend. Somit muss sich die Politik in naher Zukunft, wenn die Corona-Staatshilfen auslaufen und die tatsächlichen Auswirkungen der Pandemie sichtbar werden, die Frage stellen: Wie weit darf der Einfluss Chinas auf die europäische Wirtschaft reichen?